Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Nicht ganz sauber
Vielleicht wäre es an der Zeit, einmal zu erforschen, warum der Mensch permanent alle möglichen Sachen erforschen will. Natürlich gibt es eine Menge ergründenswerter Dinge, die den Forscherdrang gerechtfertigt erscheinen lassen. Und dann gibt es Studien wie diese: Hauptstadtbewohner von EUHauptstädten sind befragt worden, wie sie als Hauptstadtbewohner die Sauberkeit ihrer jeweiligen Hauptstadt beurteilen. Ganz oben in der Rangliste steht Luxemburg. 95 Prozent der Bürger finden, dass es sich um eine saubere Stadt handelt. An zweiter Stelle kommt Wien. Die Wiener loben zu 90 Prozent die Sauberkeit der Donaumetropole. Im tiefen Keller dieser Rangliste steht Rom: Nur neun Prozent der Römer halten ihre ewige Stadt für sauber. Nicht ganz so weit hinten liegt Berlin mit einem Sauberkeitsempfinden von immerhin 45 Prozent.
Die Studie gibt allerdings nur die gefühlte Einschätzung der jeweiligen Hauptstadtbewohner wieder. Niemand ist tatsächlich in Europas Metropolen gefahren und hat zum Beispiel die herumliegenden Zigarettenstummel gezählt. Und darum ist auch nicht klar, ob diese Rangliste auf Fakten oder einer gestörten Wahrnehmung der Befragten beruht.
Phänomene der Verzerrung sind auch aus anderen Bereichen bekannt, etwa der Politik: In der SPD hält sich zum Beispiel hartnäckig der Verdacht, es handle sich um eine sozialdemokratische Partei. Es könnte also am Ende so sein, dass die Römer eigentlich die sauberste Stadt haben, sie das nur subjektiv nicht so empfinden. Es ist höchste Zeit, das in einer weiteren Studie zu erforschen. (nyf)