Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Politik und Spiele
Für den russischen Präsidenten ist die WM 2018 ein riesiges Prestigeobjekt
MOSKAU (SID/dpa) - Wladimir Putin blickt starr in die Kamera, die Stimme des mächtigen Staatspräsidenten klingt eindringlich, bestimmend. „Wir haben sowohl unser Land als auch unser Herz für die Welt geöffnet“, sagt der 65-Jährige in seiner im russischen Fernsehen ausgestrahlten Ansprache kurz vor der WM. Er schließt mit einem angedeuteten Lächeln und auf Englisch mit: „Willkommen in Russland!“Die Putin-Spiele können beginnen.
Wie kaum ein anderer versteht es der russische Staatschef, den Sport zu instrumentalisieren, als Machtdemonstration zu nutzen und mit ihm alle Probleme zu kaschieren. Das war schon während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi so, nach denen die Krim-Krise eskaliert war und die für immer wegen des ungeheuerlichen Dopingskandals in Erinnerung bleiben werden. Die WM ist eine der politisch umstrittensten, weil Russland von der Ukraine bis Syrien in viele Konflikte verwickelt ist. Während der jahrelangen Vorbereitungen auf die WM, die 2010 unter skandalösen Umständen an Russland vergeben worden war, versickerten zudem Milliarden im Schwarzgeldsumpf, Tausende Arbeiter wurden ausgebeutet. Trotz aller Versprechen werden viele Menschenrechte in Russland immer noch mit Füßen getreten.
Doch wenn der Ball erst einmal rollt, ist das vergessen. Putin wird sich beim Eröffnungsspiel am Donnerstag gegen Saudi-Arabien im eindrucksvollen Luschniki-Stadion, wenn die Welt auf Moskau schaut, als perfekter Gastgeber präsentieren. Und trotz einiger Boykotts wird er umringt sein von Staatschefs und anderen mächtigen Figuren.
„Die Führung will das angekratzte Image des Landes aufpolieren“, sagte der Erfolgsautor Wladimir Kaminer. Allerdings nur für den einen WMMonat. „Ich glaube nicht, dass die WM Russland verändern wird. Nachher fahren die Menschen wieder nach Hause, das Turnier ist in drei Monaten vergessen“, sagt der 50-Jährige über sein Heimatland. Danach werde wieder mit eiserner Hand regiert: „Sicherlich wird das Land gute Miene zum bösen Spiel machen.“
Insgesamt 13 Milliarden US-Dollar soll die WM gekostet haben, die Zahlen variieren. Ein großer Teil wurde für den Neubau oder die Renovierung der zwölf Stadien ausgegeben, denen wie den Arenen in Brasilien nach der WM 2014 anschließend ein Schicksal als ungenutztes Mahnmal droht. Den russischen Führungszirkel stört das kaum. „Es sind ein paar Dutzend Leute, die die Hauptprofiteure des Regimes sind“, sagte Putin-Kritiker Michail Chodorkowski, einst selbst ein einflussreicher Oligarch, in der ARD-Sportschau: „Es sind dieselben, die am meisten an der WM verdienen. Und ihr Verdienst geht auf Kosten der russischen Bürger.“
Trotzdem werde Putin durch die WM Sympathien gewinnen, glaubt Kaminer: „Es gibt eine alte Weisheit in Russland, die besagt: Fußball für die Männer, Blumen für die Frauen und Eis für die Kinder. Und so macht er das.“Immerhin könnte die liberale Opposition eine Verschnaufpause erhalten. Auch werde es während der WM keine politischen Prozesse geben, vielleicht kommen sogar politische Gefangene aus dem Gefängnis. „Dann hätte die WM schon was bewirkt“, sagte Kaminer.
Negative Schlagzeilen wird Putin mit aller Macht vermeiden wollen. Polizei, Militär und der Geheimdienst FSB sollen sämtliche Gefahren von den Stadien fernhalten, dazu zählen sowohl terroristische Bedrohungen als auch die berüchtigten russischen Hooligans.
Angst bräuchten ausländische Besucher laut Kaminer nicht vor Russland zu haben. „Die vielen WM-Touristen werden sehen, dass die Russen doch keine Bären sind, sondern ganz normale Menschen wie du und ich“, so der Wahlberliner: „Es gibt nur ein Problem mit der russischen Führung, aber das Land ist in Ordnung.“
Aus der weltpolitischen Lage hält sich der Fußball seit jeher gerne raus, was in Russland auch für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) ein schmaler Grat sein wird. IOC-Präsident Thomas Bach befürchtet keine politische Vereinnahmung der WM. „Bei diesem Turnier stehen die Mannschaften im Vordergrund, und das wird sich auch so durchsetzen. Die Menschen an den Fernsehschirmen schauen sich die Weltmeisterschaft nicht an wegen der Leute, die auf der Tribüne sitzen, sondern wegen denjenigen, die auf dem Feld Fußball spielen“, sagte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).
Einen Makel wird Putin kaum kaschieren können. Der 65-Jährige ist großer Fan des Nationalsports Eishockey, die Puckjagd zählt wie Judo und Skifahren zu seinen Hobbies. Beim Fußballspielen mit FIFA-Präsident Gianni Infantino machte er zuletzt aber einen eher ungelenken Eindruck – genau wie die kriselnde Nationalmannschaft, die ihm während der WM kaum die erwünschten Erfolgsergebnisse liefern wird.
„Es gibt eine alte Weisheit in Russland, die besagt: Fußball für die Männer, Blumen für die Frauen und Eis für die Kinder. Und so macht er das.“