Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ecke, Elfer, Freistoß – Tor!
Ruhende Bälle sorgen bei der WM für mehr als die Hälfte der Tore
MOSKAU (dpa/SID) - Viele WMSpiele auf ganz hohem Niveau hat es bislang in Russland nicht gegeben. Natürlich, es gab das klasse Spiel zwischen Portugal und Spanien, es gab die Brasilianer, die gegen die Schweiz drückten und drückten, aber das Tor nicht trafen. Aber es gab auch viele Partien, in denen vor den Toren nicht viel passierte. Umso wichtiger sind bei der WM die Standards.
Mehr als die Hälfte aller Tore fiel in der ersten WeltmeisterschaftsWoche nach Ecken, durch Freistöße oder Elfmeter. Ein erfolgreiches Rezept für die ruhenden Bälle kann zum Titel-Geheimnis werden. „Der Fokus verschiebt sich im Fußball“, analysierte Christoph Kramer, Weltmeister 2014, den Trend im ZDF. „Inzwischen stehen fast alle Teams defensiv gut, es wird immer schwerer, offensiv etwas zu kreieren.“
Bei der WM in Russland fielen 21 der 42 Tore an den ersten sechs Spieltagen nach Standardsituationen. Jeder zweite Treffer. Vor vier Jahren in Brasilien lag die Quote bei knapp einem Viertel. Spieler, Trainer und Experten sind von dieser Entwicklung nicht sonderlich überrascht. „Standardsituationen werden ein wichtiges Thema sein, weil man aus ihnen viel machen kann“, sagte Bundestrainer Joachim Löw: „Das ist ein Thema bei Besprechungen und auf dem Platz.“
Bei der Auftaktpleite gegen Mexiko (0:1) konnte sich der Weltmeister daraus noch keinen Vorteil verschaffen – anders als England. Beim 2:1 gegen Tunesien profitierte Torjäger Harry Kane bei seinen beiden Treffern von einstudierten Eckbällen der Three Lions. 11. Minute: Ecke Ashley Young, Kopfball John Stones, Abstauber Kane. 90.+1: Ecke Kieran Trippier, Kopfballverlängerung Harry Maguire, Kopfballtor Kane.
Portugals Cristiano Ronaldo, Russlands Alexander Golowin, der Serbe Aleksandar Kolarov und der Kolumbianer Juan Quintero – frech unter der Mauer hindurch – versenkten ihre Freistöße direkt. Zugute kommen den Fußballern die Flugeigenschaften des WM-Balls Telstar 18. „Wir sind die Opfer der FIFA und des Fußballs, der sich immer weiter entwickelt“, klagte Ägyptens Ersatztorwart Essam Al-Hadari bereits über den Ball. Auch andere technische Neuerungen unterstützen den Standardtrend. Das Freistoßspray, das 2014 seine WM-Premiere feierte, sorgt für den entsprechenden Abstand der Mauer. Und die Videotechnik entlarvt übersehene Elfmeter – bereits drei Strafstöße wurden in Russland nach Intervention des Video-Assistenten gegeben. „Ecken und Elfmeter sind wesentlicher Bestandteil des Fußball“, sagte Kroatiens Trainer Zlatko Dalic. „Es ist egal, wie du triffst – was zählt ist, dass du triffst.“Und das passiert bislang sehr häufig.