Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schon 1968: Kehlen sucht seine Gemeindemitte
SZ-Serie blendet halbes Jahrhundert zurück: die Nöte einer eigenständigen kleinen Gemeinde
KEHLEN - Welchen Weg schlägt Kehlen ein? Diese Frage hat sich in ähnlicher Intensität wie heute auch schon vor 50 Jahren gestellt. Im Juni 1968 wurde sie breit in der Zeitung diskutiert – und steht deshalb im Mittelpunkt der SZ-Serie.
Ist es heute – neben den Neuerungen durch den Bau der Südumfahrung und die Leerstände nach dem Auszug des Schulseminars (die SZ berichtet noch) - das Entwicklungskonzept, das im Fokus steht, so war es vor fünf Jahrzehnten der hochrangig angesiedelte Landesentwicklungsplan, der die Gemüter beschäftigte und an dem sich alle öffentliche Planungen künftig zu orientieren hatten. Die Gemeinde Kehlen wusste, dass sie keine Aussicht hatte, Mittelpunktoder Selbstversorgergemeinde zu werden – ein Status, der im Finanzausgleich ungleich besser bedient wurde.
Über Finanzzuweisung steuern?
Passend dazu die Überschrift zum zweiten SZ-Artikel, der sich mit der Ratssitzung befasste: „Verringerte Finanzzuweisungen, größere Gemeinden?“Ohne Fragezeichen sah dies Bürgermeister Karl Brugger: Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, wird er zitiert, dass mit diesem Planwerk sehr stark zentralisiert werden solle und dass man die Entwicklung einer Gemeinde und auch einzelner Orte steuern wolle, in der Hauptsache über die Finanzzuweisungen. Hier blühende Zentralorte, dort Stagnation in den Zwischenräumen – dieses Szenario malte der erfahrene Lokalpolitiker an die Wand. „Brugger belegte seine ,Schwarzseherei’ mit Beispielen aus dem Entwurf“, hieß es dazu.
Um dennoch in die Liste der „Zentralorte“aufgenommen zu werden, wäre ein Verbund vonnöten. Zitat aus der SZ vom 7. Juni 1968: „Als Verbundgemeinde nannte der Kehlener Bürgermeister die Nachbargemeinde Meckenbeuren.“Übrigens wurden sämtliche Überlegungen von Karl Brugger vom Gemeinderat einstimmig unterstützt, vermeldete SZ-Berichterstatter Gerhard Rogge.
Was auch die Räte in sehr direkter Weise zum Ausdruck brachten: Ihre Sorge sei es, ob nicht hinter dem Plan die Absicht bestehe, „langsam aber sicher den kleineren Gemeinden ,das Lebenslicht auszublasen, um sie über die Hintertür der Finanzzuweisungen zu größeren Gebilden zu veranlassen.“
Neben diesen verwaltungstechnischen Rahmenbedingungen, die als „Wetterleuchten“für die Gemeindereform von 1972 interpretiert werden können, beschäftigten aber auch ganz konkrete Entwicklungsmöglichkeiten die Gedanken. Räumlich „gehandicapt“waren sie laut SZ durch den Flugplatz und die spätere Trasse der Autobahn SchaffhausenLindau, „durch die die Gemeinde gevierteilt wird“, wie damals befürchtet wurde. Blieb also der Raum, der sich bereits durch Rathaus (1967 eingeweiht, das heutige Dorfgemeinschaftshaus) und Schule (1960) als Gemeindemitte abzeichnete. Er sollte weiter als Wohngebiet erschlossen werden. Was 1976 mit der Bebauung im Wasenweg umgesetzt wurde.
Als „Fernziele“des Landesentwicklungsplanes tauchen die Elektrifizierung der Strecke Ulm – Friedrichshafen und die Beseitigung der wichtigsten Bahnübergänge auf. Wer hätte sich damals träumen lassen, dass beides ein halbes Jahrhundert später immer noch geplant wird?
Zu den Maßnahmen dieser Zeit zählt der Neubau einer Leichenhalle am neuen Friedhof. Weichen muss der Schützenstand. Provisorisch soll er im Mehrzweckraum unter der Halle unterkommen. Dann die Wende: Die Abteilung kann in die alte Schule umziehen. Was eigentlich eine Übergangslösung sein soll, bleibt mehr als 20 Jahre bestehen. Endgültig findet die Abteilung, die zum SV Kehlen gehört, aber unter dem Feuerwehrhaus eine neue Bleibe.