Schwäbische Zeitung (Tettnang)
48 Jahre nach Beckenbauer, Seeler, Müller
Belgien dreht ein 0:2 gegen flinke Japaner und schafft damit, was zuletzt bei der WM 1970 in Mexiko Deutschland gegen England gelungen ist
ROSTOW AM DON (SID/dpa) - 17 Sekunden vor dem Ende des Spiels war die historische Aufholjagd perfekt, danach lagen sich die belgischen Spieler erleichtert in den Armen: Der Mitfavorit zitterte, schwankte bedrohlich und zog nach einem 0:2 doch noch ins Viertelfinale ein. Aufgrund einer Energieleistung in der letzten halben Stunde bezwang der ewige Geheimfavorit den krassen Außenseiter Japan mit 3:2 (0:0). „Das war ein Test für das Team, für seinen Charakter. Wir haben ihn bestanden. Wir sind weiter, das ist das Wichtigste“, sagte Belgiens Trainer Roberto Martinez. Stürmer Kevin de Bruyne ergänzte: „Im Fußball gibt es immer schwierige Momente. Ich habe auch nach dem 0:2 immer an unsere Chance geglaubt. Dass wir in der 94. Minute das 3:2 gemacht haben, zeigt, was die Mannschaft will. Wir wollen diese WM gewinnen.“
Einen Zwei-Tore-Rückstand in einer K.o.-Runde hatte zuletzt Deutschland beim legendären 3:2 in Mexiko 1970 gegen England aufgeholt. Franz Beckenbauer, Uwe Seeler mit dem Hinterkopf und Gerd Müller sorgten damals für den Sieg. Ihre belgische Erben heißen Jan Vertonghen (69. Minute), Marouane Fellaini (74.) und Nacer Chadli (90.+4). Das Trio drehte die Partie nach den Toren durch Genki Haraguchi von Hannover 96 (48.) und Takashi Inui (52.) und wendete so den nächsten Favoritensturz der WM ab.
Am Freitag (20 Uhr MESZ) gegen Rekordweltmeister Brasilien müssen sich die Roten Teufel jedoch vor allem in der Defensive mächtig steigern, um erstmals seit 1986 wieder in ein WMHalbfinale einzuziehen. Die Vorstellung vor 41 466 Zuschauern in Rostow am Don erinnerte über weite Strecken kaum an die Auftritte in der Vorrunde, es hatte den Anschein, dass die vielen Wechsel im sportlich wenig bedeutenden Spiel gegen England (1:0) die Belgier aus dem Tritt gebracht hatten. Trainer Martinez rotierte gegen Japan zurück, brachte wieder den viermaligen Torschützen Romelu Lukaku und all die anderen Stars und musste trotzdem lange bangen. Die Dreierkette, in der Abwehrchef Vincent Kompany sein Startelfdebüt in Russland gab, war zu häufig zu anfällig. Belgien hatte Probleme mit den flinken Japanern, die mit dem Bundesligatrio Shinji Kagawa (Dortmund), Yuya Osako (Bremen) und Haraguchi zu Beginn mutig anrannten. Selbst fanden die Belgier meist kaum eine Lücke, hatten aber mehr Offensivaktionen. Die Japaner kamen erst wieder durch Kagawa und Inuis anschließenden Kopfball (31.) vor das belgische Tor – und hatten doch vor der Pause die größte Chance: Osako lenkte einen Schuss von Yuto Nagatomo aufs Tor, Belgiens Schlussmann Thibaut Courtois ließ den Ball durch die Beine kullern, bekam ihn aber noch vor der Linie zu fassen.
Auf der Tribüne atmete Jean-Marie Pfaff auf, der 1986 in Mexiko beim bislang einzigen Halbfinaleinzug der Belgier im Tor stand, und musste sich doch wenig später richtig Sorgen um seine Landsleute machen. Haraguchi nutzte Vertonghens Zögern, dann traf Inui aus 22 Metern. Zwischenzeitlich war Hazard am Pfosten gescheitert (49.). Der Doppelschock war den Belgiern anzumerken, es dauerte bis zur 62. Minute, ehe es wieder gefährlich wurde: Lukaku köpfte aus vier Metern jedoch vorbei. Doch die Wucht der Roten Teufel war am Ende zu viel für die Japaner. Nach dem Ausgleich erlöste der eingewechselte Chadli die Belgier. 17 Sekunden vor Schluss ...