Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kostspielige Pflege im Süden
Eigenanteil in Baden-Württemberg und Bayern sehr hoch
STUTTGART/MÜNCHEN (dpa) - Patienten in Baden-Württemberg und Bayern müssen für die Betreuung im Pflegeheim einen vergleichsweise hohen Eigenanteil bezahlen. Im Schnitt werden im Südwesten 826,33 Euro pro Monat fällig, im Freistaat sind es 762,81 Euro, wie aus einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Frage der Linke-Fraktion hervorgeht. BadenWürttemberg und Bayern liegen klar über dem Bundesschnitt von 602,13 Euro. Am günstigsten fällt der Eigenanteil in Thüringen aus mit 237,19 Euro, die höchsten Zusatzkosten fallen in Berlin mit 872,50 Euro an.
Pflegebedürftige oder Angehörige müssen den Eigenanteil leisten, weil die Pflegeversicherung, anders als die Krankenversicherung, nur einen Teil der Kosten trägt.
BERLIN - Die Furcht vor Altersarmut ist weit verbreitet. Das Rentenniveau sinkt, die Preise steigen. Da bleibt einer wachsenden Zahl von Rentnern nur der Gang zum Sozialamt, um die Grundsicherung zu beantragen. 416 Euro müssen dann monatlich für den Lebensunterhalt reichen. Dazu kommen noch die Wohnkosten und notwendige individuelle Ausgaben, etwa für eine medizinisch gebotene besondere Ernährung.
„38 Prozent der Befragten einer Studie rechnen damit, im Alter auf die Grundsicherung angewiesen zu sein“, sagt Bruno Kaltenborn. Der Wirtschaftsforscher hat im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung (DRV) nun die tatsächliche Lage und die weitere Entwicklung bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts untersucht.
Dabei kommt er zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass zwischen Erwartungshaltung und realer Entwicklung eine gewaltige Lücke klafft. Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung ist zwar seit deren Einführung im Jahr 2003 kräftig von 258 000 auf 526 000 angestiegen. Doch der Anteil der Altersarmen an der Gesamtbevölkerung ist mit 3,1 Prozent weiterhin sehr klein. Bei Kindern waren 2017 fast 15 Prozent von Armut betroffen, bei Erwerbsfähigen noch acht Prozent.
Die große Frage ist jedoch, wie sich die Armut von Rentnern zukünftig entwickelt. Dafür hat Kaltenborn die Erfahrungswerte ausgewertet – und einige Langzeittrends festgestellt. So gilt Altersarmut bisher vor allem als das Problem von Frauen. Doch mittlerweile gleichen sich die Quoten der Geschlechter an. Spätestens im nächsten Jahrzehnt werden laut Forscher mehrheitlich Männer auf die Grundsicherung angewiesen sein. Ein weiterer Trend: Seit dem Geburtsjahr 1945 steigt das Risiko der Altersarmut mit jedem Jahrgang leicht, aber kontinuierlich an.
Der Tsunami bleibt aus
Für die mittelfristige Entwicklung bis 2030 rechnet Kaltenborn im ungünstigeren Fall, dass sich die Altersarmut wie in den vergangenen 15 Jahren stetig erhöht. Ende des nächsten Jahrzehnts wären dann etwas mehr als eine Million Rentner auf die Grundsicherung angewiesen, sechs Prozent der Männer und 4,4 Prozent der Frauen. Bei einer konstanten Entwicklung der ins Rentenalter kommenden Jahrgänge wären 835 000 Ruheständler auf das Sozialamt angewiesen. „Es gibt keinen Tsunami bei der Altersarmut“, versichert der Forscher.
Eine Schwäche hat diese Aussage: Sie orientiert sich an wissenschaftlichen Definitionen von Armut, nicht an dem, was Menschen in einer reichen Gesellschaft als arm empfinden.
„Wir wollen nichts verharmlosen“, betont Brigitte Loose, die das Forschungsnetzwerk Alterssicherung bei der Rentenkasse leitet. Vielmehr wolle man durch Fakten einem Vertrauensverlust in das Rentensystem entgegenwirken. Die Expertin sieht eine Reihe von Anzeichen für eine sogar bessere Entwicklung. Denn die Politik versucht Altersarmut zu vermeiden. Die Mütterrente oder eine aufgebesserte Erwerbsminderungsrente sorgen etwa dafür, dass weniger Rentner auf zusätzliche Sozialtransfers angewiesen sind.
Experte wirbt für Freibeträge
Einer dieser Ansätze im Kampf gegen Altersarmut ist die von der Großen Koalition geplante Grundrente. Wer 35 Berufsjahre vorweisen kann, oder Teile dieser Zeitspanne mit Erziehung oder Pflege zubrachte, soll ein um zehn Prozent erhöhtes Ruhegeld erhalten, wenn er oder sie sonst nur Grundsicherung erhalten würde. Die Rentenversicherung sieht dabei jedoch Probleme. Sie will vermeiden, dass die zusätzliche finanzielle Last auf die Beitragszahler abgewälzt wird. Auch bliebe den Betroffenen der Weg zum Sozialamt nicht erspart, sagt der Forschungschef der DRV, Reinhold Thiede. Denn dieses müsste die Bedürftigkeit erst einmal feststellen.
Der Experte plädiert für eine einfachere Lösung. Derzeit werden private Renten oder Betriebsrenten noch auf die Grundsicherung angerechnet. Würde man hier Freibeträge gewähren, hätten die Betroffenen ohne großen Aufwand ein höheres Einkommen als jene 416 Euro, die ihnen im schlimmsten Fall für den Lebensunterhalt gewährt werden.