Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Ehre von Sir Cliff Richard ist wiederhergestellt
Popsänger hat um seinen Ruf gekämpft – BBC muss Schadenersatz für Sensationsberichterstattung zahlen
LONDON - Er gehört mit den Beatles und Elvis Presley zu den erfolgreichsten Künstlern in der Geschichte der britischen Charts: Cliff Richard war mit Hits wie „Congratulations“, „Living Dolls“und „Mistletoe and Wine“erfolgreich. Im Jahr 2014 wurde gegen ihn wegen sexueller Nötigung ermittelt. Die BBC erfuhr davon und berichtete live über eine Polizei-Razzia in Richards Haus. Jetzt stellte der Oberste Gerichtshof fest: Das war reine Sensationsmache des öffentlich-rechtlichen Senders. Die Vorwürfe gegen den geadelten Sänger konnten nicht belegt werden. Und die BBC wurde zu einer sechsstelligen Schadenersatzsumme verurteilt.
Einzelrichter Anthony Mann sah es als erwiesen an, dass die überzogene Berichterstattung über einen Polizeieinsatz Cliff Richards Privatsphäre massiv verletzt hatte. Der 77Jährige hat damit seine Ehre wiederhergestellt, die durch ungerechtfertigte Vorwürfe von Sexualverbrechen gegen Jugendliche ruiniert worden war. Er sei „zu Tränen gerührt“, teilte der Künstler mit. Die BBC erwägt Berufung einzulegen.
In dem mehrmonatigen Prozess hatte Richard selbst mehrere Tage lang ausgesagt, häufig unter Tränen. Dabei ging es um Vorgeschichte und Nachspiel eines Tages im August 2014: Live flimmerten damals Bilder um die Welt, die ein BBC-Team aus einem Hubschrauber heraus schoss. Sie zeigten Kriminalbeamte bei der Durchsuchung von Richards Haus in Sunningdale westlich von London. „Als ob ich Einbrechern dabei zuschaute, wie sie meine persönlichen Habseligkeiten durchwühlten“, beschrieb Richard den Vorgang.
Tage- und wochenlang seien anschliessend seine Anwesen, darunter ein Weingut in Portugal, von Reportern belagert worden. „Mein altes Leben, lange Jahre ruhig und friedlich, war vorbei.“Er sei in der Küche zusammengebrochen und habe auf Knien geweint, sagte Richard. „Ich fühle mich bis heute permanent beschädigt.
Ein vermeintlicher Scoop
Der von der Queen zum Ritter geschlagene Künstler argumentierte, die BBC habe durch ihr Eindringen in die Privatsphäre des Stars ein Ermittlungsverfahren der Kripo unzulässig aufgebauscht und um mehrere Monate verlängert. Tatsächlich reichte die Anstalt den Bericht samt Hubschrauber-Bildern für eine Preisverleihung zum „Scoop des Jahres“ein. Die Kripo ermittelte knapp zwei Jah- re lang erfolglos. Die Staatsanwaltschaft verweigerte wegen „unzureichender Beweise“die Anklageerhebung. Die zuständige Kripo in SüdYorkshire entschuldigte sich später „vollständig“bei Richard und zahlte ihm 400 000 Pfund (450 000 Euro) Schmerzensgeld. Nicht so die BBC: Der öffentlich-rechtliche Sender versteifte sich auf die Behauptung, man habe „im öffentlichen Interesse“gehandelt. Davon könne keine Rede sein, hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung. Von der gesamten Schmerzensgeldsumme von 210 000 Pfund (235 000 Euro) entfallen 143 500 Pfund auf den öffentlichrechtlichen Sender, der Rest auf die Polizeibehörde.
Auch zukünftig müsse Berichterstattung über polizeiliche Ermittlungsverfahren möglich sein, teilte die zuständige Abteilungsleiterin Francesca Unsworth am Mittwoch mit. Nachvollziehbar wird ihre Sturheit durch ein früheres schreckliches Versagen der Anstalt. Über Jahrzehnte hinweg gehörte der 2011 verstorbene Moderator Jimmy Savile zu den BBC-Stars. In dieser Zeit misshandelte und vergewaltigte der zum Ritter geschlagene Entertainer mehr als 300 Kinder und Jugendliche. Die Art und Weise, wie sein früherer Arbeitgeber mit den Vorwürfen umging, hat die Glaubwürdigkeit des BBC-Journalismus massiv beschädigt. Eine interne Untersuchung förderte schwere Führungsmängel zu Tage.