Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Jede noch so ungemütliche Fahrt hat sich gelohnt“
Teresa Schimmels berichtet über ihren Freiwilligendienst in Ghana und ob sie das auch anderen empfiehlt
MECKENBEUREN - Bei den St. Maria-Ministranten ist Teresa Schimmels schon seit vielen Jahren dabei. Jetzt hat sie ein Jahr lang im Freiwilligendienst in Ghana gewirkt, statt nach ihrem Abitur einfach nur auf Reisen zu gehen. Beim Sonntagsgottesdienst in St. Maria hat die 21-jährige Meckenbeurerin interessant wie erfrischend über ihren Dienst und ihre Erlebnisse berichtet. Dabei legte sie den Fokus auf das religiöse Leben der Menschen. „Es sind bunt gekleidete Menschen, die lachen, tanzen, laut singen und fröhlich sind. Doch es gibt auch ruhige und nachdenkliche Phasen des Gebetes und Zuhörens“, berichtete Teresa Schimmels dort unter anderem. Sie stand Karl Gälle Rede und Antwort.
Frau Schimmels, Sie wollten nach dem Abitur ganz bewusst ein fremdes Land kennenlernen und dabei auch helfen. Ein mutiger Schritt. Welche Vorgeschichte gab es zu der Entscheidung?
Ich war mir erst nicht sicher, was ich nach dem Abitur machen möchte. Über einen Lehrer bin ich auf die Weltwärts-Freiwilligendienste gestoßen und habe mich informiert. In Friedrichshafen gibt es eine Organisation namens „worldwide volunteers“, die diese Dienste anbietet, und dort habe ich mich beworben. Mir war es wichtig, das Land nicht als Tourist kennenzulernen, sondern den Alltag zu erleben und dadurch einen Platz in einer Gastfamilie/Gemeinde/Arbeitsstelle zu bekommen. Gleichzeitig wollte ich vor Ort eine Aufgabe haben und die Reise nicht nur für mich machen.
Sie hatten in Ghana einen Mentor. Wie werden solche Freiwilligendienste organisiert, und wie sind sie dabei betreut worden?
Das ist von Organisation zu Organisation verschieden. Ich wurde von der Organisation „worldwide volunteers“in einen Weltwärts-Freiwilligendienst entsendet – ein Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. „Worldwide volunteers“hat für uns Freiwillige alles Organisatorische übernommen: die Verteilung der Projekte, das Abschließen von Auslandsversicherungen, das Buchen der Flüge .... Außerdem wurden wir durch mehrtägige Seminare in Friedrichshafen und Bremen auf den Einsatz vorbereitet. Während des Aufenthalts hatten wir einen ghanaischen Mentor, der uns in die Kultur einführte und uns immer wieder in den Projekten besuchte. Außerdem organisierte er unser Zwischenseminar im Februar 2017. Und kurz nach unserer Rückreise hatten wir dann noch das Re-EntrySeminar mit allen Freiwilligen, die 2016 entsendet wurden.
Welches waren Ihre ersten Eindrücke in Ghana?
Heiß, laut, schmutzig und bunt. Die ersten Tage haben wir – also meine zwölf Mitfreiwilligen und ich – gemeinsam mit Mentor Chris in Accra in einem kleinen Guesthouse verbracht. Er hat uns in die Kultur eingeführt, war mit uns beim Immigration Service, hat uns einen kleinen TwiCrashkurs gegeben (die am häufigsten gesprochene der 52 ghanaischen Sprachen/Dialekte) und hat uns gezeigt, wie man aus den Wasserbeuteln trinkt und mit der linken Hand isst. Nach fünf Tagen ging es für mich und meine Projektpartnerin nach Kumasi. Wir haben dort in der Wohnung des besten Freundes unseres Projektleiters gewohnt. Einziges Problem war, dass wir kein fließendes Wasser hatten. Es wurde nur einmal in der Woche, am Samstagvormittag, Wasser gepumpt, und so musste man den Morgen dazu nutzen, die in der Wohnung verteilten Behälter aufzufüllen, um in der folgenden Woche Wasser für Toilette, Abwaschen, Duschen und das Waschen der Klamotten zu haben. Das war eine krasse Umstellung, aber so lernt man das für uns Selbstverständliche neu wertzuschätzen.
Wie hat ein ganz normaler „Dienst-Tag“für Sie ausgesehen?
Meine Mitfreiwillige und ich haben im Projekt „CSI- Centre for Social Innovations“gearbeitet. Das ist eine kleine Organisation, die Programme entwickelt hat, mit denen sie in Schulen und Universitäten gehen. Es geht darum, den Jugendlichen zu zeigen, dass sie mit ihrer Kreativität und ihrem Wissen Probleme in ihrer Gesellschaft oder ihrem Umfeld lösen können. An manchen Tagen waren wir in einer Schule, um das Programm durchzuführen, manchmal waren wir unterwegs, um neue Schulen anzuwerben, und manchmal waren wir im Büro und haben die Programme überarbeitet. Abends ging es immer zur Familie des Projektleiters zum Abendessen. Seine Frau hat für uns mitgekocht, und so haben wir auch die ghanaische Küche lieben gelernt. Zudem wurde mit den drei Söhnen gespielt oder gebastelt, sie hatten immer eine große Freude an meinen Papierfliegern.
Welche besonderen Erlebnisse haben Sie mit nach Hause genommen?
Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die Streifzüge über den Central Market. Dort kann man von frischem Fleisch über Küchenutensilien bis hin zu Shea-Butter wirklich alles kaufen, man muss nur wissen, wo es zu finden ist. Am liebsten war ich aber bei den Stoffverkäufern, das Stöbern in der riesigen Auswahl macht großen Spaß. Zu den Highlights gehören natürlich die Reisen in die unterschiedlichen Regionen Ghanas. Es war nicht immer ganz einfach, an den gewünschten Ort zu kommen, aber jede noch so lange und ungemütliche Fahrt hat sich gelohnt, weil man mit wunderschöner Natur, leckerem Essen und ganz viel Gastfreundschaft belohnt wurde.
Sie haben im Vortrag vor allem über den Glauben der Menschen und über die Feier der Gottesdienste berichtet, in denen Sie Gemeinschaft erlebt haben: Können wir in Europa oder gar in St. Maria etwas bezüglich unserer Gottesdienstgestaltung lernen?
Ich glaube, wir sollten allgemein viel öfter über unseren Glauben sprechen. Der Glaube ist in unserer Gesellschaft in den Hintergrund gerutscht. Dabei ist er so etwas Schönes, Wertvolles und Kraftgebendes.
Können sie ihr Freiwilligenjahr schon bewerten, würden sie es anderen Jugendlichen empfehlen?
Es war eine wahnsinnige Zeit. Es war einfach alles dabei, von Heimweh über Krankheiten bis zu wundervollen Freundschaften und unvergesslichen Augenblicken. Ich habe viel über mich selbst gelernt und darüber, was mir für mein Leben wichtig ist. So ein Dienst lässt einen selbstständig werden, aber gleichzeitig wird man durch die Organisation im Hintergrund geschützt. Das fand ich sehr gut. Ich würde es jedem empfehlen, der Interesse hat, eine neue Sichtweise auf sein Leben und die Welt zu bekommen.
Wie geht es bei ihnen denn nun weiter?
Inspiriert durch die selbstgeschneiderten Kleider in Ghana gehe ich jetzt in Sigmaringen auf die Modefachschule und mache dort eine schulische Ausbildung zur Modedesignerin und Maßschneiderin. Und es macht großen Spaß.