Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eine spannende Reise ins 20. Jahrhundert
Trompeter Pavel Janecek und Organist Dieter Weitz berühren beim Konzert in St. Gallus
TETTNANG - Trotz plötzlichem Regenwetter und dem Hinweis auf ein sehr anspruchsvolles Programm, das nicht die geliebte Barockmusik für Orgel und Trompete versprach, sondern Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert, ist eine ansehnliche Zahl von Musikfreunden am Sonntagabend in die St. Gallus-Kirche gekommen.
Zeitgenössische Musik wird üblicherweise gern in kleinen Dosen serviert, doch Tettnangs Kantor weiß, was er seinem Publikum zumuten kann. Vorweg gesagt: Das Konzert „Orgel trifft Trompete“mit Pavel Janecek, Solotrompeter und Lehrer an den Musikschulen in Albstadt und Villingen-Schwenningen, und dem Organisten Dieter Weitz, Dozent am Institut für Alte Musik der Musikhochschule Trossingen, bot ein ganz besonderes Hörerlebnis. Wenn sich eine Kirche für sakrale Musik der Gegenwart eignet, dann diese, die von der Innenausstattung absolut modern gestaltet ist und noch dazu über eine sehr gute, erst vor kurzem renovierte Orgel verfügt. Sie war an diesem Abend vom leisesten, fast entschwebenden Piano bis zu mächtigem Brausen zu erleben, mit Wärme und Glanz trat die Trompete dazu.
Bald trifft Orgel auf Schlagzeug
Sehr bestimmt wie eine schmetternde Fanfare erklang anfangs die Trompete in Henri Sauguets Komposition „Non morietur in aeternum“(Er wird nicht sterben in Ewigkeit), einem Werk, das im Wechsel mit meditativen Passagen die Kontraste des Lebens spiegelte. Ein imposanter Einstieg, der zugleich half, vielleicht vorhandene Ängste vor der Moderne abzubauen.
Zwei kurze Tänze von Jehan Alain, die laut Programm zum Originellsten zählen, das in Frankreich für Orgel geschrieben wurde, folgten. Überhaupt waren die klaren, prägnanten Aussagen im Programmflyer sehr hilfreich, so etwas wünschte man sich öfter. In den „Trois Prières sans Paroles“, drei Gebeten ohne Worte, von Jean-Michel Damase war die spannende Kommunikation zwischen den beiden Instrumenten zu genießen. Aufwühlend war dagegen die folgende Phantasie und Fuge op. 135b, Max Regers letztes großes Orgelwerk in der ungekürzten Erstfassung. Auch an Reger scheiden sich die Geister – der Organist half, Vorurteile abzubauen.
Als Höhepunkt stand am Ende der Zyklus „Fenster“nach Marc Chagall von Petr Eben, der das blaue, grüne, rote und goldene Glasfenster der Synagoge des Jerusalemer HadassahKrankenhauses musikalisch interpretiert. Für den normalen Konzertbesucher war es nicht leicht, die Unterschiede zwischen den verschiedenfarbigen Fenstern aufzunehmen, er erlebte die Komposition als grandioses Werk, das als Hommage an Chagall neben Anklängen an jüdischen Synagogengesang auch einen russisch-orthodoxen Choral einbezieht. Schön, dass nach starkem Applaus keine Zugabe folgte, dass so das Ganze nachwirken konnte.
Wer Tettnang und seinen Kantor Georg Grass kennt, darf sich sicher darauf freuen, am 23. September unter dem Titel „Orgel trifft Schlagzeug“erneut so ein außergewöhnliches Konzert zu bekommen, das den Blick wieder öffnet für die Musik unserer Zeit.