Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Daimlers Drei-Sterne-Lösung
Neue Holdingstruktur des Autobauers mit den Säulen Auto, Lastwagen und Finanzen in der Kritik
STUTTGART (dpa) - Mit neuer Struktur, selbstständigen Sparten und Jobgarantien für alle Mitarbeiter in Deutschland formiert sich der Autobauer Daimler angesichts des Wandels in der Branche neu. Kritiker geht die neue Holdingstruktur allerdings nicht weit genug. Sie sei „halb gar und dient dem Machterhalt der Muttergesellschaft und ihrer Protagonisten“, kritisierte Bert Flossbach von Deutschlands größtem bankenunabhänigen Vermögensverwalter Flossbach von Storch kürzlich in der „Schwäbischen Zeitung“.
Für Autos und Vans soll es von 2020 an die Mercedes-Benz AG geben, wie der Stuttgarter Konzern am Donnerstag mitteilte. Bei der Daimler Truck AG wird das Geschäft mit Lastwagen und Bussen zusammengefasst. Die Finanzdienstleistungssparte als dritte Säule, die rechtlich eigenständig ist, soll zudem schon 2019 in Daimler Mobility AG umbenannt werden.
Die Daimler AG soll es weiter geben – als Dachgesellschaft mit übergreifenden Funktionen. Welche Rolle Vorstandschef Dieter Zetsche in diesem neuen Konstrukt spielen soll, ließ er am Donnerstag offen. Darüber sei noch nicht gesprochen worden, sagte er. Zetsches Vertrag läuft Ende 2019 aus.
Einen hohen dreistelligen Millionenbetrag soll das „Projekt Zukunft“kosten, über das die Aktionäre im Mai kommenden Jahres noch abstimmen müssen. Daimler hatte die Pläne für den Konzernumbau 2017 bekannt gemacht und seither eingehend geprüft, wie es hieß. Nun hätten Vorstand und Aufsichtsrat ihr Okay gegeben.
Flossbach dagegen fordert, dass Zetsche den Daimler-Konzern aufspaltet und zwei voneinander unabhängige Unternehmen schafft: Mercedes-Benz Cars auf der einen und Daimler Trucks auf der anderen Seite. Eine solche Trennung erhöht nach Ansicht der Kölner Anlageexperten, der nach eigenen Angaben Daimler-Aktien im Wert von rund einer Milliarde Euro verwaltet, die Flexibilität und Schlagkräfte beider Einheiten. In einer Zeit voller Umbrüche sei die aktuelle Komplexität des Konzerns hinderlich.
„Mit der neuen Organisationsstruktur stellt sich Daimler für den rasanten Wandel der Mobilitätsbranche und die damit verbundenen strategischen Herausforderungen auf“, erklärte Aufsichtsratschef Manfred Bischoff. Hintergrund ist unter anderem, dass sich Daimler von eigenständigen Sparten mehr Beweglichkeit verspricht, etwa wenn es darum geht, bei bestimmten Produkten Partnerschaften mit anderen Unternehmen einzugehen. Bisher muss da immer der gesamte Konzern zustimmen, auch wenn große Teile nicht betroffen sind. Immer wieder wurde auch über einen Börsengang der Truck-Sparte spekuliert. Zetsche und sein Finanzchef Bodo Uebber betonten, das sei derzeit kein Thema.
Flossbach führt den geringen Börsenwert des Konzerns als Argument für einen „ehrlichen Spin-off “an. Zurzeit kostet der gesamte DaimlerKonzern an der Börse rund 61 Milliarden Euro. Flossbach schätzt den Truck-Bereich von Daimler im Vergleich zu Volvo auf 30 bis 35 Milliarden Euro. Damit sei das Pkw-Geschäft mit gerade einmal 30 Milliarden Euro – nur gut die Hälfte von BMW – „grotesk niedrig bewertet“. Aus Sicht von Flossbach von Storch macht der geringe Börsenwert von Daimler den Konzern anfällig für feindliche Übernahmen.
„Durch die Daimler AG als Dachgesellschaft mit spartenübergreifenden Funktionen und Service Synergien erhalten oder sogar gestärkt werden“, heißt es in einem persönlichen Antwortbrief Zetsches an Flossbach. Das Schreiben liegt der „Schwäbischen Zeitung“vor.