Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Notariatsreform sorgt für Aktenstau
Am Amtsgericht Tettnang läuft es wegen Personalmangel noch nicht rund.
TETTNANG - In Sachen Notariatsreform läuft es auch nach Monaten noch nicht so recht rund am Amtsgericht Tettnang. Von einer „Mängelverwaltung“spricht Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Bigalke. Zusätzlich zur Umstellung fehlt seit Anfang Januar krankheitsbedingt ein Entscheider, einige weitere Stellen sind nicht besetzt. Das führt dazu, dass etwa im Nachlass- und Betreuungsbereich viele Fälle lange liegengeblieben sind. Sprich: Potenzielle Erben warten teilweise schon seit Mitte letzten Jahres auf eine Testamentseröffnung durch das Nachlassgericht.
In eiligen Fällen reagiert das Gericht aber dennoch sofort, sagt Walter Eyrich. Er war bis zur Reform als Bezirksnotar im Schloss tätig. Gehe es etwa um ein Unternehmen, an dem Arbeitsplätze hingen, habe das „Prio eins“, so Eyrich. Doch in vielen Fällen sei ein Erbschein gar nicht notwendig, um wichtige Schritte zu unternehmen. Zum einen gilt das, wenn ein notarielles Testament vorliegt. Eine andere Möglichkeit ist die „Geschäftsführung ohne Auftrag“. Wer zum Beispiel ein Haus im Winter nicht unbeheizt lassen wolle, um einen Wertverlust zu verhindern, könne durchaus schon mit dem Versorger einen Vertrag abschließen. Erbe dann doch jemand anders das Gebäude, könne man die Kosten dann geltend machen.
Auch sei es in klaren Fällen möglich, etwa Verkaufsverhandlungen schon parallel zur Testamentseröffnung zu führen. Hier könne ein kurzer Anruf beim Gericht für Klarheit sorgen. Denn auch ohne Verzögerung, so Eyrich, können ganz normale Nachlassfälle in der Bearbeitung bis zu sechs Monate dauern, bei begründeten Eilfällen, bei denen es um Arbeitsplätze ginge, seien auch schon mal zwei Monate drin. „Wenn es keine Streitigkeiten unter Erben gibt“, schränkt Eyrich ein.
Für das Amtsgericht bedeutet die derzeitige personelle Unterdeckung dabei, dass es eine Steigerung der Beschwerden gibt, mitunter eben auch Dienstaufsichtsbeschwerden. Die verpuffen derzeit. Wie Amtsgerichtsdirektor Bigalke erklärt, liegt beim Justizministerium eine Überlastungsanzeige vor. Das kann kein zusätzliches Personal abstellen, weil es einfach keins gibt. Damit gibt es wiederum, so das Argument, keine Amtspflichtverletzung, die Dienstaufsichtsbeschwerde greift nicht.
Gleichwohl hat das Amtsgericht ein Beschwerdemanagement eingerichtet. „Die Antragsteller ärgern sich zu recht“, sagt Wolfgang Bigalke. Er selbst wird drei Monate in Teilzeit unterstützend als Entscheider in Betreuungssachen einsteigen. Bis Mitte Oktober wird dann eine frisch ausgebildete Rechtspflegerin mit einer vollen Stelle anfangen.
„Es hat einfach keiner damit gerechnet, dass wir fast elf Monate nur mit drei Vierteln der Arbeitskraft bei den Entscheidern arbeiten können“, sagt Bigalke. Auch an anderen Stellen fehlt noch Personal. Der Berg soll trotzdem auf Sicht abgebaut werden. 2800 alte Akten sind erfasst, 400 bis 700 stehen noch an, für die eine zusätzliche Mitarbeiterin angestellt worden ist. Hinzu kommen neue Fälle Spätestens binnen Jahresfrist soll die Abteilung „richtig laufen“.
Bigalke setzt zudem auf weitere Effizienzsteigerungen. Da sei die neue Abteilung eben noch nicht auf dem Stand der alten, die hier einfach mehr Routine hätten.
Bei all dem Schatten sieht Bigalke aber auch etwas Licht. Die Stimmung sei grundsätzlich gut, auch habe die Integration gut funktioniert. Die menschliche Komponente passe, so Bigalke: „Das ist bei sei einer Umstellung nicht selbstverständlich.“