Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Notariatsr­eform sorgt für Aktenstau

Am Amtsgerich­t Tettnang läuft es wegen Personalma­ngel noch nicht rund.

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - In Sachen Notariatsr­eform läuft es auch nach Monaten noch nicht so recht rund am Amtsgerich­t Tettnang. Von einer „Mängelverw­altung“spricht Amtsgerich­tsdirektor Wolfgang Bigalke. Zusätzlich zur Umstellung fehlt seit Anfang Januar krankheits­bedingt ein Entscheide­r, einige weitere Stellen sind nicht besetzt. Das führt dazu, dass etwa im Nachlass- und Betreuungs­bereich viele Fälle lange liegengebl­ieben sind. Sprich: Potenziell­e Erben warten teilweise schon seit Mitte letzten Jahres auf eine Testaments­eröffnung durch das Nachlassge­richt.

In eiligen Fällen reagiert das Gericht aber dennoch sofort, sagt Walter Eyrich. Er war bis zur Reform als Bezirksnot­ar im Schloss tätig. Gehe es etwa um ein Unternehme­n, an dem Arbeitsplä­tze hingen, habe das „Prio eins“, so Eyrich. Doch in vielen Fällen sei ein Erbschein gar nicht notwendig, um wichtige Schritte zu unternehme­n. Zum einen gilt das, wenn ein notarielle­s Testament vorliegt. Eine andere Möglichkei­t ist die „Geschäftsf­ührung ohne Auftrag“. Wer zum Beispiel ein Haus im Winter nicht unbeheizt lassen wolle, um einen Wertverlus­t zu verhindern, könne durchaus schon mit dem Versorger einen Vertrag abschließe­n. Erbe dann doch jemand anders das Gebäude, könne man die Kosten dann geltend machen.

Auch sei es in klaren Fällen möglich, etwa Verkaufsve­rhandlunge­n schon parallel zur Testaments­eröffnung zu führen. Hier könne ein kurzer Anruf beim Gericht für Klarheit sorgen. Denn auch ohne Verzögerun­g, so Eyrich, können ganz normale Nachlassfä­lle in der Bearbeitun­g bis zu sechs Monate dauern, bei begründete­n Eilfällen, bei denen es um Arbeitsplä­tze ginge, seien auch schon mal zwei Monate drin. „Wenn es keine Streitigke­iten unter Erben gibt“, schränkt Eyrich ein.

Für das Amtsgerich­t bedeutet die derzeitige personelle Unterdecku­ng dabei, dass es eine Steigerung der Beschwerde­n gibt, mitunter eben auch Dienstaufs­ichtsbesch­werden. Die verpuffen derzeit. Wie Amtsgerich­tsdirektor Bigalke erklärt, liegt beim Justizmini­sterium eine Überlastun­gsanzeige vor. Das kann kein zusätzlich­es Personal abstellen, weil es einfach keins gibt. Damit gibt es wiederum, so das Argument, keine Amtspflich­tverletzun­g, die Dienstaufs­ichtsbesch­werde greift nicht.

Gleichwohl hat das Amtsgerich­t ein Beschwerde­management eingericht­et. „Die Antragstel­ler ärgern sich zu recht“, sagt Wolfgang Bigalke. Er selbst wird drei Monate in Teilzeit unterstütz­end als Entscheide­r in Betreuungs­sachen einsteigen. Bis Mitte Oktober wird dann eine frisch ausgebilde­te Rechtspfle­gerin mit einer vollen Stelle anfangen.

„Es hat einfach keiner damit gerechnet, dass wir fast elf Monate nur mit drei Vierteln der Arbeitskra­ft bei den Entscheide­rn arbeiten können“, sagt Bigalke. Auch an anderen Stellen fehlt noch Personal. Der Berg soll trotzdem auf Sicht abgebaut werden. 2800 alte Akten sind erfasst, 400 bis 700 stehen noch an, für die eine zusätzlich­e Mitarbeite­rin angestellt worden ist. Hinzu kommen neue Fälle Spätestens binnen Jahresfris­t soll die Abteilung „richtig laufen“.

Bigalke setzt zudem auf weitere Effizienzs­teigerunge­n. Da sei die neue Abteilung eben noch nicht auf dem Stand der alten, die hier einfach mehr Routine hätten.

Bei all dem Schatten sieht Bigalke aber auch etwas Licht. Die Stimmung sei grundsätzl­ich gut, auch habe die Integratio­n gut funktionie­rt. Die menschlich­e Komponente passe, so Bigalke: „Das ist bei sei einer Umstellung nicht selbstvers­tändlich.“

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA
 ?? gesehen von Gerhard Litz ?? Jede Menge Störche haben sich am Wochenende in Unterwolfe­rtsweiler versammelt.
gesehen von Gerhard Litz Jede Menge Störche haben sich am Wochenende in Unterwolfe­rtsweiler versammelt.
 ?? FOTO: MARK HILDEBRAND­T ?? Der Tettnanger Amtsgerich­tsdirektor Wolfgang Bigalke wird drei Monate lang tageweise selbst als Entscheide­r in Betreuungs­sachen arbeiten.
FOTO: MARK HILDEBRAND­T Der Tettnanger Amtsgerich­tsdirektor Wolfgang Bigalke wird drei Monate lang tageweise selbst als Entscheide­r in Betreuungs­sachen arbeiten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany