Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Sami A. kommt nach Deutschland zurück
Gerichtsurteil bringt Wende für mutmaßlichen Islamisten
BERLIN - „Offensichtlich rechtswidrig“: Weil seine Abschiebung nach Tunesien gegen Gesetze verstieß, darf Sami A., mutmaßlicher Islamist und vermeintlicher Ex-Leibwächter von Osama bin Laden, nach Deutschland zurückkehren.
Paukenschlag am Mittwochnachmittag am Oberverwaltungsgericht (OVG) von Nordrhein-Westfalen. Das Urteil der höchsten Instanz ist ein wichtiger Etappensieg für Sami A., womöglich die entscheidende Wende. Die Stadt Bochum ist nun in der Pflicht, den Rückflug des 42-Jährigen nach Deutschland zu bezahlen, die verhängte Wiedereinreisesperre ist hinfällig. Der Mann, den die Behörden als islamistischen Gefährder einstufen, der monatelang für Schlagzeilen sorgte und die Politik unter Zugzwang setzte, hätte Mitte Juli nicht nach Tunesien abgeschoben werden dürfen.
Das Urteil des OVG in Münster ist eine Blamage für die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen und das Bundesamt für Flüchtlinge. Es ist aber auch höchst unbequem für Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich für die Rückführung des Tunesiers ausgesprochen hatten. In dem Fall könne es „nur Verlierer geben“, hatte Seehofer schon vor drei Wochen vorausgesagt. Denn vor der Abschiebung hatte es massiven öffentlichen Druck gegeben, Sami A. außer Landes zu bringen – doch war bei der Abschiebung das Verwaltungsgericht von Gelsenkirchen ausgetrickst worden, geriet die überhastete Operation zum Skandal.
Auf Anordnung der Landesregierung hatte die Bundespolizei den Tunesier am 13. Juli in den frühen Morgenstunden in ein Charterflugzeug gesetzt und sich damit über ein Abschiebeverbot des Gelsenkirchener Gerichts hinweggesetzt, das wegen einer möglichen Foltergefahr die Rückführung untersagt hatte. Den Vorwurf der Gelsenkirchener Richter, das sei „grob rechtswidrig“gewesen, bestätigte das OVG. Eng dürfte es jetzt für NRW-Flüchtlingsminister und Vizeministerpräsident Joachim Stamp (FDP) werden, hatte der doch im Juli die „persönliche Verantwortung“ für die Abschiebung übernommen. Vom Gang nach Karlsruhe, um das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes dort anzufechten, sieht Bochum ab. „Wir setzen um, was das OVG entschieden hat“, stellte ein Sprecher der Stadtverwaltung klar.
Ob der Tunesier wirklich rasch nach Deutschland zurückkehrt, blieb am Mittwoch zunächst offen. Die Behörden seines Heimatlandes haben ihn auf freien Fuß gesetzt, doch laufen dort Ermittlungen gegen ihn. Solange diese andauern, hieß es zuvor aus Tunis, werde Sami A. nicht ausreisen dürfen. Der Ball liegt nun beim Auswärtigen Amt der Bundesregierung. Das müsste ihm ein Visum für die Wiedereinreise ausstellen.
Vorwürfe aus seinem Familienkreis
Sami A. war vor elf Jahren zum Studium nach Deutschland gekommen, lebte mit Frau und Kindern in Bochum. Er soll zuvor eine Ausbildung in einem Terrorcamp der Al-Kaida durchlaufen und zur Leibgarde von Osama bin Laden gehört haben. Zudem wurde ihm vorgeworfen, in Deutschland als salafistischer Prediger Hass geschürt zu haben. Doch alle Ermittlungen verliefen im Sande bis das Gefährdungsrisiko im Mai plötzlich auf „hoch“heraufgesetzt wurde. Grund waren Vorwürfe aus seinem Familienkreis, Sami A. schaue sich Videos von Osama bin Laden an und habe auch den Anschlag Anis Amris auf den Berliner Weihnachtsmarkt gelobt.