Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Justiz prüft Haftstrafen für bayerische Spitzenpolitiker
Land setzt nötige Umweltschutzmaßnahmen nicht um – Weiteres Vorgehen in Stuttgart bleibt offen
MÜNCHEN/STUTTGART (dpa/sz) Die bayerische Justiz prüft die Verhängung von Beugehaft gegen bayerische Amtsträger und Politiker, um härtere Umweltschutzmaßnahmen für eine bessere Luft in München durchzusetzen. Es sei erkennbar geworden, dass das Land unter dem Druck der bisherigen Zwangsgelder nicht einlenke, heißt es in einem Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs, das die Deutsche Umwelthilfe (DUH) am Montag online stellte. „Allein erfolgversprechend erscheint vor diesem Hintergrund die Festsetzung von Erzwingungshaft gegen Amtsträger.“
In Deutschland sind im vergangenen Jahr in 65 Städten SchadstoffGrenzwerte überschritten worden. Die Stadt mit den höchsten Belastungen vor allem durch Dieselabgase ist nach wie vor München, es folgen Stuttgart und Köln. Von Fahrverboten auf besonders belasteten Strecken will die in Bayern regierende CSU aber nichts wissen.
EuGH soll Beugehaft prüfen
Das Gericht erwägt dem Bericht zufolge nun, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Vorabentscheidung zu bitten, ob eine Erzwingungshaft rechtmäßig wäre. Betroffen sein könnten dem Schreiben zufolge führende Beamte der Landesregierung, Umweltminister Marcel Huber oder Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU). Staatskanzleiminister Florian Herrmann sagte dem Blatt, man erwarte die Entscheidung des Gerichts „mit großer Gelassenheit“: „Die Drohung mit Zwangshaft für Beamte und Politiker hat im deutschen Recht keine Rechtsgrundlage und ist daher unverständlich und absurd.“
In Baden-Württemberg bleibt offen, wie die grün-schwarze Landesregierung mit dem gerichtlich festgesetzten Zwangsgeld wegen mieser Luft im Stuttgarter Talkessel umgeht. Am Montag kam laut Staatsministerium eine interministerielle Arbeitsgruppe zusammen. Sie traf aber noch keine Entscheidung. Das Land Baden-Württemberg hatte 2016 zwei Anwohnern der stark mit Schadstoffen belasteten Kreuzung „Am Neckartor“in einem Vergleich zugesagt, den Verkehr dort an Tagen mit hoher Luftbelastung ab 2018 um 20 Prozent zu reduzieren. Das Verwaltungsgericht Stuttgart setzte ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro fest, weil – so die Begründung – das Land nichts zur Umsetzung des Vergleichs unternehme. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hatte am Freitag dafür plädiert, die Entscheidung des Gerichts zu akzeptieren. Vize-Regierungschef Thomas Strobl (CDU) hatte entgegnet, er sehe nicht, warum man auf Rechtsmittel verzichten sollte.