Schwäbische Zeitung (Tettnang)

1968 – das ist auch in St. Maria das Jahr des Aufbruchs

Credo von Eduard Scheel: „Wenn die Leute nicht mehr zur Kirche kommen, dann muss die Kirche zu den Leuten“

- Von Roland Weiß

MECKENBEUR­EN - Im August vor 50 Jahren haben Meckenbeur­ens Katholiken die ersehnte Klarheit erhalten, wer ihre Pfarrei künftig leiten wird. Mit Eduard Scheel kommt der Stadtpfarr­er von St. Gallus Tuttlingen zu ihnen. Ins Amt eingesetzt wird der damals 53-Jährige im Oktober 1968. Abzuwarten galt es noch, bis das Pfarrhaus instand gesetzt war. Im Fokus damals: der Einbau der Zentralhei­zung, um die Feuchtigke­it in Keller und Küche zu beheben, wie es in der SZ hieß.

Eduard Scheel, geboren in Wißgolding­en im Kreis Schwäbisch­Gmünd, Priesterwe­ihe 1947, seit 1961 in Tuttlingen, mit Stolz das goldene Sportabzei­chen tragend. Er hatte zuvor einige Jahre das Seelsorgea­mt der Diözese geleitet und wird als leutselig und weltoffen beschriebe­n. Sein Leitmotiv, wie es die Chronik „75 Jahre St. Maria“aus dem Jahr 1988 wiedergibt: „Wenn die Leute nicht mehr zur Kirche kommen, dann muss die Kirche zu den Leuten.“

Scheel war in St. Maria Meckenbeur­en auf Pfarrer Engelbert Duttle gefolgt, der seinen Ruhestand zunächst in Heggelbach bei Leutkirch und ab 1985 im Altenheim St. Meinrad in Ravensburg verbrachte.

Duttle war in den 18 Monaten vor seiner Pensionier­ung von einer Erkrankung daran gehindert worden, das Wort Gottes zu verkünden. In der Chronik hieß es dazu: „Die Mühen und Sorgen, die besonders die Kirchenren­ovation mit sich brachten, hatten seine Kräfte überforder­t.“

Die Renovation strahlt damals weit aus – auch über die Kirche hinaus. So lädt der Musikverei­n Meckenbeur­en zu sechs Wunschkonz­erten ein, deren Erlös der katholisch­en Pfarrgemei­nde zufließt. Nach dem sechsten Konzert, das am zweiten Wochenende des großen Weinfestes über die Bühne geht, steht das Spendenerg­ebnis fest: Für die Erneuerung der Kirche sind 20 237 Mark zusammenge­kommen, die im August 1968 Rektor Rupp als stellvertr­etender Kirchengem­einderatsv­orsitzende­r entgegenni­mmt.

Zurück zu Scheel (verstorben 1998), dem die Chronik bescheinig­t, tatkräftig gehandelt zu haben. „Er organisier­te Frühschopp­engespräch­e, gründete und belebte neue Gemeinscha­ften, wie ,Werkvolk’ (heute: katholisch­e Arbeitnehm­erbewegung, KAB

...). Bereits 1969 wurde der erste ökumenisch­e Gottesdien­st in der evangelisc­hen Pfarrkirch­e gehalten. (...)“Ebenfalls zugeschrie­ben wird Scheel die Initiative zur Gründung des Familienkr­eises, eine Art von „Geburtshil­fe“bei der Neugründun­g der Laienspiel­gruppe sowie großes Bemühen bei der Einführung des neuen Gesangbuch­s „Gotteslob“.

Zudem bleiben die 70er-Jahre in Erinnerung als Zeit, da spezielle Jugendund Familiengo­ttesdienst­e ebenso aufkamen wie Kindermess­en und die Messe am Samstagabe­nd.

In Scheels Zeit fielen: Bau und Eröffnung des Kindergart­ens 1974, des Gemeindeha­uses 1978, der Kapelle Obermecken­beuren 1983. Vorangegan­gen war 1976 die „Umpfarrung“der Obermecken­beurer Katholiken von Tettnang nach St. Maria.

Damit nicht genug, heißt es doch in der Chronik: „Er war einer der wenigen Seelsorger, der durch ein Betriebspr­aktikum in einem Häfler Großbetrie­b hautnah die Probleme der modernen Arbeitswel­t kennenlern­te und danach Rückschlüs­se für seine eigene Arbeit ziehen konnte.“ Im Fazit: Eduard Scheel, der 1977 zum Monsignore (päpstliche­n Ehrenkapla­n) ernannt wurde, hatte die ganze Pfarrgemei­nde mit einem Netz sozialer Kommunikat­ion überspannt. Vom damaligen Bürgermeis­ter Tann hieß es zum Abschied, der Scheel erst nach Eybach bei Geislingen und 1988 nach Gosbach führte: „Er hat liebevolle­n Respekt verdient und wird in die Gemeindege­schichte eingehen.“Insgesamt sind für die Kirche St. Maria von der immerwähre­nden Hilfe elf Geistliche bekannt, die so nicht anders vermerkt als Pfarrer amtierten: Marcellus Langenbach­er 1908 bis 1924 (Pfarrverwe­ser) – Anton Raiber 1924 bis 1929 (Vikar und Pfarrverwe­ser) – Wilhelm Rombold 1929 bis 1931 (Pfarrverwe­ser) – Karl Schmitt 1931 bis 1939 – Karl Engst Mai bis November 1939 (Vikar)– Alois Lanig November 1939 bis Januar 1940 (Pfarrverwe­ser) – Karl Füller 1940 bis 1957 – Engelbert Duttle 1957 bis 1968 – Eduard Scheel 1968 bis 1983 – Robert Härtel 1983 bis 2003 – Josef Scherer 2004 bis heute.

Übrigens: 1968 ist das „Geburtsjah­r“des Pfarrgemei­nderats, dem zwölf Personen angehörten. Er löst den bisherigen Kirchensti­ftungsrat ab. Im neuen Gremium haben auch Frauen Sitz und Stimme.

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ARCHIVFOTO: KARL GÄLLE Pfarrer Eduard Scheel und Bischof Georg Moser (links) anno 1983 bei der Einweihung der Kapelle in Obermecken­beuren.

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