Schwäbische Zeitung (Tettnang)
EU im Dauerstreit um die Migration
Italien droht seit Monaten, doch auch beim Salzburger Gipfel ist kein Durchbruch in Sicht
SALZBURG (dpa) - Migration, immer wieder Migration. Das Thema hatte die EU den ganzen Sommer im Griff. Und bestimmt auch den Gipfel der 28 Staats- und Regierungschefs am Mittwoch und Donnerstag in Salzburg. Vor allem die rechte Regierung Italiens setzte die Union zuletzt heftig unter Druck. Am Mittwochabend diskutieren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Kollegen, wie in Sachen Migration Fortschritte erzielt werden können. Konkret geht es darum, wer für jene Migranten zuständig ist, die an den Außengrenzen der EU ankommen – das jeweilige Land oder der gesamte Staatenbund?
EU-Ratspräsident Donald Tusk rief die EU-Staaten schon im Vorfeld zur Räson: „Wenn manche die Krise lösen wollen, während andere sie benutzen wollen, bleibt sie unlösbar.“Das Wichtigste im Überblick:
Die Zahlen. Tusk wird nicht müde, zu betonen, dass die Zeiten der Krise vorbei sind. Jüngsten Frontex-Daten zufolge gab es bis August rund 86 500 irreguläre Grenzübertritte – rund 40 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Im August lag die Zahl bei rund 12 500. Vor allem über das zentrale Mittelmeer schafft es kaum noch jemand nach Italien. Im August kamen rund 1500 Migranten nach Italien, das sind 62 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In den ersten acht Monaten kamen rund 80 Prozent weniger als 2017.
Die Zentren. Merkel und Kollegen ● knüpfen in Salzburg daran an, was sie bei ihrem jüngsten Treffen Ende Juni beschlossen haben. Damals hieß es, aus Seenot gerettete Migranten sollten künftig in Sammellager in der EU gebracht werden, in denen zügig über ihre Schutzbedürftigkeit entschieden werden sollte. Die Einrichtung der Zentren soll für jedes Land freiwillig sein. Zudem sollten ähnliche Lager in Nordafrika geprüft werden. Greifbaren Fortschritt hat es bislang nicht gegeben. Es soll auf keinen Fall der Eindruck entstehen, die EU würde Riesenlager in Afrika bauen. Dass die Staats- und Regierungschefs sich auf einen Ansatz einigen, ist unwahrscheinlich.
Ägypten. Sofort nach dem EUGipfel im Juni hatten alle Staaten Nordafrikas die Einrichtung jedweder Zentren auf ihrem Boden abgelehnt. Derzeit ist in Brüssel allerdings immer wieder von Ägypten die Rede. Noch an diesem Wochenende besuchten Tusk und Österreichs Kanzler Sebastian Kurz – Österreich hat gerade die EU-Ratspräsidentschaft inne – den Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi in Kairo.
Frontex. Zuletzt hatten sich die ●
EU-Spitzen auch für den Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex ausgesprochen. Wie das aussehen könnte, legte die EU-Kommission vergangene Woche vor: Bis 2020 soll Frontex 10 000 Einsatzkräfte bekommen, darüber hinaus ein ausgeweitetes Mandat. Auf Botschafterebene soll es keinen grundsätzlichen Widerstand gegeben haben. Aber es sei hinterfragt worden, ob bis 2020 tatsächlich 10 000 Grenzschützer an den Start gehen könnten. Zudem seien der mögliche Einsatzbereich der Grenzschützer sowie die Kosten diskutiert worden. Die EU-Kommission plant im Haushalt von 2021 bis 2027 rund 2,2 Milliarden ein.
Verteilung. Die Frage nach einer verbindlichen Quote zur Verteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten lähmt die Union seit Jahren. Ungarn, Tschechien und Polen wollen partout keine Flüchtlinge aufnehmen. Daran wird sich nichts ändern. Deshalb wird in Brüssel und anderen Hauptstädten mittlerweile darüber nachgedacht, ob es nicht doch einen freiwilligen Mechanismus geben sollte. Jene Staaten, die keine Flüchtlinge nehmen, müssten dann auf andere Art Solidarität zeigen.