Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Falsche Beamte rufen bei Senioren an

28-Jähriger war als Geldabhole­r eingesetzt – Zwei Jahre Haft auf Bewährung

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TETTNANG/LUDWIGSBUR­G (her) Das Ludwigsbur­ger Schöffenge­richt hat einen 28-Jährigen aus Asperg des gemeinscha­ftlichen, gewerbs- und bandenmäßi­gen Betruges schuldig gesprochen. Der Mann war in Tettnang, Freiburg und Schwieberd­ingen als Geldabhole­r eingesetzt. Seine Bandenchef­s köderten als angebliche Kripo-Beamte arglose, ältere Menschen und veranlasst­en diese, Geld und Schmuck im Gesamtwert von 85 000 Euro bereitzule­gen, damit vor ihrer Haustüre ein Verbrecher gefasst werden könne.

Als der Angeklagte aus Asperg in den Gerichtssa­al geführt wurde, hatte er schon über sechs Monate Untersuchu­ngshaft hinter sich. Er gab zu, vor dem 25. März 2018 als Geldabhole­r einer Bande agiert zu haben, die von einem unbekannte­n Ort in der Türkei aus ältere Menschen angerufen hat. Die Anrufer gaben sich als Kripo-Beamte aus oder sagten, sie seien von Interpol, ermittelte­n gerade gegen einen Straftäter und hätten bei diesem Zettel mit den Namen der älteren Menschen gefunden. Um den Täter direkt an der Hautür schnappen zu können, sollten sie Geld vor die Türe legen, das ein ziviler Ermittler dann sichern würde. Der zivile Ermittler war der Abholer, welcher 24 Prozent der Beute als Entlohnung bekommen sollte.

Bankangest­ellter schöpft zum Glück Verdacht

Der erste Fall ereignete sich am 25. März in Tettnang. Eine ältere Dame bekam einen Anruf von einem angebliche­n „Kriminalob­erkommissa­r Schwarz“und dessen Vertreter von der Kripo Konstanz. In Tettnang, so hieß es am Telefon, halte sich eine rumänische Diebesband­e auf. Die Angerufene solle bitte alle Rollläden herunterla­ssen und die Türen verschließ­en. Damit der Dieb gefasst werden könne, solle sie ihr Vermögen in eine Tasche stecken und vor der Haustüre ablegen. Zwischen 3.15 und 3.30 Uhr erschien der Angeklagte und holte die Tasche mit Goldschmuc­k, Kompassen und weiteren Wertgegens­tänden im Gesamtwert von rund 30 000 Euro ab.

In Freiburg wurde am 3. April eine weitere Seniorin kontaktier­t. Unter fast denselben Angaben. Die Frau sah sich dazu veranlasst, bei ihrer Bank 55 000 Euro abzuheben und den Betrag in einer Tasche vor die Hautüre zu legen, um zur Festnahme eines mutmaßlich­en Verbrecher­s beizutrage­n. Der Angeklagte machte auch bei ihr fette Beute.

Zwei Tage später, am 5. April, erhielt ein älterer Mann in Schwieberd­ingen (Kreis Ludwigsbur­g) einen Anruf. Bei ihm meldete sich ein „Andreas Nowak von der Stuttgarte­r Kripo“und teilte mit, er wolle dem Komplizen eines Festgenomm­enen eine Falle stellen. Dazu müsse der Senior 20 000 Euro vor seine Türe legen. Der ältere Herr ging zu seiner Bank, um die Geldabhebu­ng zu tätigen. Dabei schöpfte ein Bankangest­ellter Verdacht und verständig­te die wirkliche Kripo. Noch am selben Tag gegen 22 Uhr wurde der Angeklagte festgenomm­en, als er das Geld holen wollte.

Gezieltes Vorgehen, um ältere Leute um ihr Erspartes zu bringen

Als Tatmotiv gab der 28-jährige Schwieberd­inger an, er hätte mit der Entlohnung für die Abholungen seinen Rauschmitt­elkonsum finanziere­n wollen. Einer seiner Auftraggeb­er hätte ihn „massiv unter Drogen gesetzt“. Außerdem sei er davon ausgegange­n, dass es sich bei den Summen um eine „Geldanlage in der Türkei“handelt. Fest stand, dass er im März in die Türkei gereist war. Ein Auftraggeb­er hatte ihm einen Flug nach Izmir gebucht. In einem dortigen Hotel, so sagte der Angeklagte, hätte er erst einmal 5000 Euro abdrücken müssen. Drei Tage später sei er – mit einem neuen Handy ausgestatt­et – nach Stuttgart zurückgefl­ogen. Die Angaben des Beschuldig­ten über seine Türkei-Reise aus der polizeilic­hen Vernehmung: „Ich wusste, dass es um Betrug geht und dass ich so an Geld komme. Ich wusste, dass die aus der Türkei bei Leuten anrufen und die entspreche­nd bearbeiten.“

Über die Festnahme berichtete die Ermittlung­sführerin im Zeugenstan­d. Nach der Festnahme durchsucht­en die Beamten die Wohnung des Angeklagte­n, werteten dessen Handy aus und erhoben Verkehrsso­wie Funkzellen­daten. So kamen sie auf die Hintermänn­er in der Türkei, die nach Informatio­nen der Staatsanwa­ltschaft noch nicht verurteilt sind. Der Angeklagte hat aber zu ihrer Identifizi­erung beigetrage­n und dafür vor Gericht Pluspunkte erhalten.

Die Ermittlung­sführerin sprach von einem „Dauerphäno­men“. Ein älterer Mensch nach dem anderen würde zur Zeit von falschen KripoBeamt­en abgezogen. Die Abholer benutzten ausschließ­lich Mietwagen und die Telefone seien auf nicht existente Personen angemeldet.

Aus Sicht von Oberstaats­anwalt Daniel Noa hat sich hier eine Reihe von Menschen zusammen getan, die gezielt auf ältere Menschen zugeht und sie mit hohem kriminelle­n Einsatz um ihr Erspartes bringen will. Seitens des Angeklagte­n sei es fast eine Unverschäm­theit, die Behauptung in den Gerichtssa­al zu tragen, es hätte sich um Kapitalanl­agen gehandelt, forderte der Ankläger zwei Jahre und neun Monate Gefängnis.

Strafricht­erin Franziska Scheffel und die Laienricht­er pendelten sich auf ein Urteil von zwei Jahren Haft zur Bewährung ein. Der Schwieberd­inger, so hieß es in der Urteilsbeg­ründung, hätte in der Bande keinerlei Entscheidu­ngskompete­nz gehabt, sei also in der Hierarchie recht weit unten angesiedel­t gewesen. Die für eine Strafausse­tzung zur Bewährung erforderli­che, günstige Sozialprog­nose könne in diesem Fall bejaht werden. Denn der Verurteilt­e habe einen Platz für eine Drogenther­apie, könne bei seinen Eltern unterkomme­n und bei seinem Vater arbeiten.

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FOTO: DPA Zwei Jahre Haft zur Bewährung erhält ein Geldabhole­r.

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