Schwäbische Zeitung (Tettnang)
1300 Rettungsgassen-Ignoranten angezeigt
Seit 2018 werden hohe Bußgelder und Fahrverbote bei Verstößen verhängt
STUTTGART - 200 Euro Bußgeld und zwei Punkte in Flensburg drohen seit dem 19. Oktober 2017 jedem Autofahrer, der keine Gasse für Polizei und Rettungsdienst bildet. Zusätzlich gibt es Fahrverbote, sollten Autofahrer die Einsatzkräfte sogar behindern. Nachdem Rettungskräfte in den vergangenen Jahren immer wieder wegen versperrter Rettungsgassen zu spät an Unfallstellen kamen – und das auch öffentlich für viel Kritik gesorgt hatte – wurde die Gesetzeslage deutlich verschärft.
Seitdem hat die Polizei auf den Autobahnen in Baden-Württemberg rund 1300 Verstöße zur Anzeige gebracht. Seit Jahresbeginn betreibt das Land Baden-Württemberg außerdem eine Werbekampagne. Brückenbanner, Plakate und Videospots unter dem Motto „Rettungsgasse – rettet Leben“sollen Autofahrern klar machen, wie eine Rettungsgasse auszusehen hat.
Das Innenministerium zieht jetzt ein positives Zwischenfazit der verschärften Strafen und der Kampagne: „Es ist uns gelungen, das Thema in den öffentlichen Fokus zu rücken.“Erste Einschätzungen von Polizeibeamten würden darauf hindeuten, dass die Autofahrer ihr Verhalten ändern. Das teilt Renato Gigliotti, Sprecher des Ministeriums, mit. Aber in Bezug auf die mehr als tausend Anzeigen sagt er auch: „Die Beanstandungen zeigen, dass wir nach wie vor sanktionieren müssen, damit alle schnelle Hilfe ermöglichen.“
Vor dem Stillstand reagieren
Autofahrer wüssten mittlerweile zwar, wie man die Gasse bildet. Problematisch sei aber das „Wann“– nämlich schon dann, wenn der Verkehr stockt und nicht erst, wenn der Rettungswagen kommt. Trotz aller Fortschritte gibt es beim Kampf gegen Rettungsgassen-Verweigerer allerdings auch eine große Hürde. Das stellen die Polizisten auf der Straße fest. Albert Maier, Leiter des Verkehrskommissariats in Kißlegg, zuständig für den baden-württembergischen Teil der A 96, sagt, dass die Ahndung eines Verstoßes gegen das Rettungsgassen-Gebot nicht leicht sei: „Die Kollegen müssen in erster Linie zur Unfallstelle fahren.“Anschließend sei es dann wichtig, den Stau abzusichern. Erst danach könne man sich darum kümmern, ob die Rettungsgasse eingehalten werde. Und ob dafür dann Personal da sei, sei fraglich.
Renato Gigliotti vom Innenministerium bestätigt das Problem und sagt: „Die Rettung hat immer die oberste Priorität.“Nichts anderes werde von den Einsatzkräften verlangt. Um Rettungsgassen-Verweigerer dennoch zu erwischen, sollen Polizeifahrzeuge in BadenWürttemberg deshalb in Zukunft mit sogenannten Dashcams ausgerüstet werden. Die zeichnen das Staugeschehen auf, sodass die Beamten nachträglich Anzeigen erstatten können. Ein solcher Pilotversuch wurde beim Polizeipräsidium Freiburg gestartet. Ende des Jahres sollen die Kameras dann flächendeckend im Ländle eingeführt werden.