Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Scham und Ekel: Ex-Pfleger sagt aus zu Patientenmorden
OLDENBURG (dpa) - Empathielos und eiskalt – so beschreibt sich der wegen 100-fachen Mordes angeklagte Ex-Pfleger Niels Högel aus heutiger Sicht. Der Tod von Patienten habe ihn damals nicht berührt. „Trauer habe ich in dem Sinne nicht empfunden“, sagte der 41-Jährige am Mittwoch vor dem Landgericht Oldenburg. Heute fühle er angesichts seiner Taten Scham und Ekel vor sich selbst. Zuvor hatte er die Patientenakten studiert, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. „Jeder einzelne Fall, den ich lese, egal ob ich mich erinnere oder nicht, tut mir unendlich leid.“
100 Patienten soll Högel in Oldenburg und Delmenhorst – beides in Niedersachsen – zwischen Februar 2000 und Juli 2005 umgebracht haben. Wegen sechs anderer Taten am Klinikum Delmenhorst sitzt er bereits lebenslang in Haft. Am ersten Prozesstag vor drei Wochen hatte Högel die neuen Vorwürfe gegen ihn mehrheitlich eingeräumt. Doch die Dunkelziffer könnte noch deutlich höher liegen. Zwischen den angeklagten Taten liegen zum Teil mehrere Monate. „Ich habe keine Erinnerung daran, dass ich eine Pause gemacht hätte“, sagte Högel. Es seien aber auch mehr Reanimationen gelungen als gescheitert.
Nach Ansicht der Ermittler spritzte Högel seinen Opfern Medikamente in tödlicher Dosis, um sie danach wiederbeleben zu können. Dadurch wollte er seine Kollegen mit seinen Reanimationskünsten beeindrucken. Ihm sei es allein um den Nervenkitzel und die Anerkennung gegangen, nicht darum, Patienten gezielt zu töten – oder sie gar von ihrem Leid zu erlösen, betonte Högel.