Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zur Halbzeit liegt Kramp-Karrenbauer vorn
An mir ist überhaupt nichts mini“– empört verwahrte sich CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am Freitag in Magdeburg vor den Bundesdelegierten der Senioren-Union dagegen, im Rennen um den CDU-Vorsitz als „Mini-Merkel“abgestempelt zu werden. Zwar gilt die 56-jährige Saarländerin als enge Vertraute der scheidenden CDU-Chefin Angela Merkel. Aber klein wirkt sie höchstens optisch, wenn sie sich bei den Regionalkonferenzen ihrer Partei zwischen ihre beiden männlichen Rivalen Friedrich Merz und Jens Spahn stellt.
Im eigentlichen Wettbewerb gewinnt sie immer mehr an Größe, baut zur Halbzeit – nach vier der acht Regionalkonferenzen – ihren Vorsprung aus. Unter den Unions-Anhängern wünschen sich inzwischen 38 Prozent die Saarländerin als Parteichefin, ein Plus von drei Prozentpunkten. Ihr schärfster Rivale Friedrich Merz fällt nach umstrittenen Äußerungen zum Grundrecht auf Asyl und zu seinem Millionen-Einkommen zurück auf 29 Prozent, ein Minus von vier Prozent. Gesundheitsminister Jens Spahn meint zwar, Rückenwind zu verspüren, wie er auf der Regionalkonferenz in Halle erklärte. Tatsächlich bleibt er mit nur sechs Prozent deutlich abgeschlagen und verliert sogar noch einmal einen Prozentpunkt.
Pannen bei allen Kandidaten
Ganz pannenfrei lief es in der ersten Halbzeit für keinen aus dem Trio. Kramp-Karrenbauer, eher als Frau der Mitte bekannt, wollte mit einer harten Linie in der Flüchtlingsfrage punkten. Im Zweifelsfall müsse man straffällig gewordene Syrer trotz des nicht beendeten Bürgerkriegs in ihre Heimtatländer zurückschicken, forderte sie. Nicht praktikabel, beschied nun ausgerechnet Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU (siehe Seite 5).
Spahn thematisiert Migrationspakt
Immerhin noch gemischte Reaktionen mit viel Kritik, aber auch einiges Lob handelte sich Gesundheitsminister Spahn ein für seinen Vorschlag, den umstrittenen UN-Migrationspakt zum Umgang mit Flüchtlingen auf dem CDU-Parteitag in Hamburg im Dezember noch einmal zur Abstimmung zu stellen.
Merz dagegen musste sogar zurückrudern nach seinem Plädoyer für eine Diskussion über das Grundrecht auf Asyl. Er wolle es nicht antasten, stellte er klar. Sein Vorstoß habe auf die Schaffung einer einheitlichen Asylpraxis in Europa gezielt. Das sei aber ohne einen Gesetzesvorbehalt in Deutschland schwer vorstellbar, so Merz bei der Regionalkonferenz in Halle. Zuvor allerdings hatte er davon gesprochen, dass man offen darüber reden müsse, ob dieses Asylgrundrecht „in dieser Form fortbestehen“könne.
Für Merz geht es auch darum, der AfD stärker als bisher entgegenzutreten. Die CDU habe die Wahlerfolge der AfD in Bund und Ländern mit einem „Achselzucken“zur Kenntnis genommen, sagte Merz nun. Die Partei habe sich damit zufrieden gegeben, selbst so stark zu sein, dass ohne sie nicht regiert werden könne. Eine Attacke auf die amtierende Vorsitzende Merkel, die diesen Kurs zu verantworten hat. Wenn man in Deutschland wieder „braune und schwarze Hemden“sehe, der „Hitlergruß und Antisemitismus auf offener Straße gezeigt“würden und die CDU erkennbar darauf keine Antwort habe, empfinde er es als seine persönliche Verantwortung, seiner Partei Hilfe anzubieten.
Derzeit spricht allerdings einiges dafür, dass diese die Offerte ausschlagen könnte.