Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Teurer Minimalismus
Es gibt Menschen, die sind ziemliche Spielkinder. Das dürfte eigentlich auf die meisten zutreffen, wenn es um eine ihrer Leidenschaften geht, gerade wenn es ums Sammeln oder Besitzen geht. Dieser Drang unterscheidet sich oft in den Kosten: Ein neuer Ferrari ist teurer als ein Fahrrad. Und für ein Pferd muss man mehr bezahlen als für einen Tierfilm.
Doch am teuersten kann die Leidenschaft des Minimalismus sein. Das ist die Kunst, wenig zu besitzen, also das Gegenteil von Sammeln quasi. Wer zum Minimalisten wird, zum Besitzlosen, löst sich von Altem und befreit damit seinen Geist. Diese Richtung gibt es schon seit Längerem. Manche lassen dabei sogar nur Menschen mit weniger als 100 Gegenständen als Minimalisten gelten. Aber Eiferer gibt es ja überall.
Doch wenn man sich durch die Minimalismus-Seiten im Internet wühlt und die Videotagebücher betrachtet, fällt auf, dass dies oft nur eine gefühlte Wahrheit ist. Auf Mobiltelefonen haben manche Minimalisten Bilder-, Musik- und Filmsammlungen, die früher Häuser gefüllt hätten, manchmal gar Wohnviertel.
In den fast leeren Wohnungen steht dabei nicht selten ein neues Sofa. Oder der letzte Schrei in Sachen Unterhaltungstechnologie. Das, was eben nicht für Konsumverzicht, für Befreiung steht. Da sind die wahren Minimalisten die Sammler, deren Wohnung vor Patina glänzt. Jemandem mit einer Waschmaschine von 1954 und einem Lux-I-Staubsauger von 1912 kann man eben keine bloße Mode unterstellen, wenn er sich einen neuen Fernseher kauft.