Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zeuge: „Der hat uns sein nacktes Hinterteil präsentiert“
Angeklagter muss wegen Beleidigung und Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Diebstahl ins Gefängnis
TETTNANG/FRIEDRICHSHAFEN Zu den 31 Eintragungen im Bundeszentralregister kommen nun zwei weitere hinzu: Richter Christian Pfuhl hat am Montag einen 43-Jährigen verurteilt, weil dieser auf dem Häfler Seehasenfest 2016 Polizeibeamte nicht nur beleidigt und angegriffen hat, sondern im Februar dieses Jahres auch in einen Supermarkt eingebrochen war. Neben Alkohol spielten außerdem Medikamente in beiden Fällen eine Rolle.
Reumütig sitzt der knapp zwei Meter große Angeklagte auf seinem Stuhl im Tettnanger Amtsgericht. „Ich hatte an dem Abend einen massiven Rückfall mit Alkohol“, räumt der Mann ein, für den der Abend im Juli 2016 in der Psychiatrie endete. Aufgrund seiner psychischen Erkrankungen muss der 43-Jährige unter anderem Antidepressiva und Schlaftabletten nehmen, die sich nicht mit Alkohol vertragen. Das habe er gewusst – und deshalb gar nicht aufs Seehasenfest gehen wollen. Bereits in den Vorjahren hatte es dort immer wieder Vorfälle gegeben, wie der Blick auf seine 31 Vorstrafen zeigte.
Schließlich habe ihn ein Kumpel doch überredet und nach „sechs bis sieben Bierchen“zu Hause habe man auf dem Fest am Nachmittag gut weitergetrunken. Dort kam es in der Folge zu einem lautstarken Streit mit einem befreundeten Besucher, weshalb die Polizei aufmerksam wurde. „Ich hab mit Polizisten ein gewisses Problem“, so der Angeklagte, was vielleicht erklärt, weshalb er die zuständigen Polizeibeamten mit heruntergelassener Hose empfing. „Der hat uns sein nacktes Hinterteil präsentiert“, so einer der Polizeibeamten im Zeugenstand. Laut sei der Angeklagte gewesen, aggressiv und habe ihn derb und unflätig beleidigt, berichtet der junge Polizist.
Die Beamten sprachen einen Platzverweis aus, doch schon wenige Stunden später sorgte der betrunkene Angeklagte vor einem Karussell auf dem Romanshorner Platz erneut für Ärger. „Der konnte gar nicht mehr beruhigt werden, der schrie nur noch rum“, erinnerte sich der Zeuge weiter. Sämtliche Polizisten im Zeugenstand sagten unisono aus, dass schließlich Pfefferspray und viel Kraft notwendig war, um den Mann in Gewahrsam zu nehmen.
Auch an Händen und Füßen gefesselt trat er schließlich von der Bank im Polizeibus noch in Richtung der Beamten. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen, das war nicht okay“, sah der Angeklagte am Montag im Sitzungssaal sein Fehlverhalten ein und entschuldigte sich bei dem Beamten.
Rabenschwarzer Februar
Ein ganz anderer Fall dagegen trug sich im vergangenen Februar zu, als der Mann erst die Beziehung zu seiner Freundin, dann seinen Job und schließlich seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld verlor. „Ich war an dem Tag am Ende - mein ganzes Leben war zusammengebrochen.“Um wenigstens seine Miete zu zahlen, zertrümmerte der Angeklagte mit einem Hammer ein Fenster eines Häfler Supermarktes und entwendete dort knapp 600 Euro Bargeld, Druckerpatronen und zwei leere Geldtaschen. Doch vor dem Supermarkt wartete bereits die Polizei - die ihn zunächst festnahm und schließlich erneut in die Psychiatrie brachte.
Nicht nur durch das Geständnis, auch durch die zahlreichen Zeugen sah Richter Pfuhl die Taten schließlich als erwiesen an und verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte zu fünf Monaten, wegen Diebstahl mit einer Waffe zu acht Monaten Freiheitsstrafe. Zwar sei das Geständnis und die Reue des Angeklagten wie auch sein fester Job positiv zu bewerten, doch vor allem die umfangreichen und einschlägigen Vorstrafen hätten ihm als Richter keine andere Wahl gelassen, als eine Freiheitsstrafe zu verhängen – der Verteidiger hatte zuvor auf Bewährung plädiert.
„Es bleibt mir nichts anderes übrig“, sagte Christian Pfuhl mit Blick auf die „extrem hohe Rückfallgeschwindigkeit“des Angeklagten.
„Der konnte gar nicht mehr beruhigt werden, der schrie nur noch rum.“
Ein Zeuge über das Verhalten des Angeklagten beim Seehasenfest