Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schnäppchen auch in der Oberklasse
Youngtimer bieten viel Auto für wenig Geld – Experten weisen auf Risiken hin
BERLIN (dpa) - Ein 600er S-KlasseMercedes, Baujahr 2001, für 6500 Euro. Ein VW Phaeton mit Zehn-Zylinder-Diesel, Baujahr 2003, für 5999 Euro. Oder ein eleganter Jaguar XJ 4.0, Baujahr 2000, für 5999 Euro. Allesamt Luxusmobile und mit frischem TÜV versehen, die im Internet zum Discountpreis angeboten werden. Ist das die Chance für Normalbürger, wie die Schönen und Reichen zu fahren?
„Ein Youngtimer der Luxusklasse bietet tatsächlich die Möglichkeit, ein Auto, das früher für einen immensen Preis verkauft wurde, für relativ kleines Geld zu bekommen“, sagt Renate Freiling von der Zeitschrift „Auto Classic“. Sie sieht neben dem Kaufpreis weiteres Sparpotenzial: „Ist das Fahrzeug älter als 20, aber noch keine 30 Jahre, bekommt es zwar noch kein H-Kennzeichen, kann aber wie ein Oldtimer – und damit zu einem günstigen Tarif – versichert werden.“
Teure Ersatzteile
Allerdings: „Jeder Gebrauchtwagenkauf birgt ein gewisses Risiko“, sagt Norbert Schröder vom TÜV Rheinland. Ein Youngtimer könne zwar Luxus für wenig Geld bieten. „Wenn aber an diesen Autos etwas ersetzt werden muss, wird es teuer.“Gert Schleichert vom Auto Club Europa (ACE) sieht potenzielle YoungtimerKäufer dennoch in einer guten Position: „Interessenten werden heute in keiner Weise allein gelassen, im Internet finden sich unzählige typenund regional gebundene Clubs“. Und auch auf Klassikmessen oder bei großen Händlern finde man Ansprechpartner.
Auch Freiling hält gerade die Clubs für eine gute Informationsquelle: „Bei ADAC Klassik kann man sich über diese Clubs informieren, und auch die Gesellschaft für Technische Überwachung führt eine Datenbank, in der Clubs, Marken und Modelle sowie aktuelle Marktpreise verzeichnet sind.“Zudem erfasse Classic Data, ein Sachverständigenverband von Oldtimerexperten, die Marktpreise gängiger Klassiker.
Ist die Entscheidung für ein Modell gefallen, sollte man es erst einmal langsam angehen lassen. Schleicherts Rat: „Abwägen, nachfragen, vergleichen“. Er wisse, dass das Youngtimer-Thema ein emotionales sei. Umso mehr aber solle man Gelassenheit an den Tag legen.
Wie aber findet man das richtige Exemplar in dem breiten Angebot? Es gebe deutliche Indizien, ob ein Fahrzeug in Frage kommt oder ob man besser die Finger davon lässt, sagt Schleichert. Wichtig seien Unterlagen zum Fahrzeug wie Rechnungen über Reparaturen, Serviceheft, regelmäßige TÜV-Berichte oder sogar ein aktuelles Gutachten. Alle drei Experten legen zudem nahe, das Auto in einer Werkstatt vorzuführen oder selbst ein Gutachten erstellen zu lassen. Vor allem aber solle man nicht allein zum Besichtigen gehen. „Ich kenne das von mir selbst: Wenn man vor dem Objekt seiner Begierde steht, das vielleicht sogar noch die Wunschfarbe aufweist, dann kann schon mal der Verstand aussetzen“, sagt Schröder. „Deshalb nehme ich immer jemanden mit, der objektiv ist, wenn ich mich privat für ein Auto interessiere.“
Verschleißteil Achse
Grundsätzlich abraten von einem Modell möchte keiner der Experten. Aber es gebe Einschränkungen. „Jemandem, der typenoffen sucht, würde ich sicher keinen Jaguar XJ12 empfehlen“, sagt Schleichert. „Wenn ich mich aber in eine solche Katze verliebt habe, muss ich mir über die Konsequenzen klar sein.“Im Servicefall komme dann nur eine Vertragswerkstatt in Frage. „Das bedeutet hohe Inspektions- oder Wartungskosten.“
Bei Youngtimern der Luxusklasse im Alter von 15 bis 20 Jahren sollten Käufer außerdem auf einen nicht sehr bekannten Sachverhalt achten. „In dieser Fahrzeuggeneration wurden Achsteile aus Gründen der Gewichtsersparnis nicht mehr aus Stahlblech, sondern aus Aluminium gefertigt“, sagt Schröder. „Das bedeutet, dass alle 70 000 bis 80 000 Kilometer neue Lager für die Traggelenke fällig sind.“Das sei ein Problem, das man früher nicht gekannt habe. „Jeder weiß, dass Bremsen und Stoßdämpfer typische Verschleißteile sind. Dass auch Achsen verschleißen, ist vielen aber unbekannt“, so der Experte des TÜV.
Das stärkste Modell einer Baureihe muss auch nicht immer das beste sein. „Beispiel VW Phaeton: Ich sollte mich fragen, ob ich wirklich den 10-Zylinder-Diesel mit Luftfederung brauche“, sagt Schleichert. Dabei solle man nicht nur die Dieseldiskussion im Hinterkopf haben. Deshalb sein Tipp: „Beim Luxus-Youngtimer lieber etwas tiefer stapeln“.