Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mentalität schlägt Mateschitz-Millionen
Freiburg lässt Leipzig beim 3:0 keine Chance – 100. Pflichtspielsieg für SC-Coach Streich
FREIBURG - Ralf Rangnick muss sich gefühlt haben, als sei er tatsächlich in Punxsutawney – nur mit dem Unterschied, dass nicht das Murmeltier, sondern der Schwarzwaldfuchs, das Maskottchen des SC Freiburg, täglich grüßt. „Wir haben auch schon letztes Mal hier verloren, nach einer Führung wohlgemerkt“, sagte der Trainer von RB Leipzig am Samstag nach der 0:3-(0:2)-Niederlage im Breisgau zerknirscht. „Wille, Überzeugung und viel Energie“, schwärmte Freiburgs Trainer Christian Streich, seien für den Triumph des Underdogs ausschlaggebend gewesen. Die Atmosphäre im engen Schwarzwald-Stadion, der Sardinenbüchse der Liga, tat ein Übriges. „Wir haben uns den Schneid abkaufen lassen. Nach dem Rückstand haben wir uns ein Stück weit beeindrucken lassen“, haderte Rangnick.
Eindruck machte vorneweg Nils Petersen. „Er hat ein Klassespiel gemacht“, lobte Streich, der zur Viererkette zurückgekehrt war. „Nils war wahnsinnig präsent, hat vorne die Bälle festgemacht und ein schwierig zu erzielendes Tor geschossen.“Der SC-Stürmer hatte bei einem Konter einen Abpraller per Direktabnahme zum 1:0 (12.) verwertet. Mit 37 Toren zog Petersen mit dem Freiburger Rekord-Torschützen in der Bundesliga, Papiss Demba Cissé, gleich.
Petersen großzügig
Zwei Tage nach seinem 30. Geburtstag war Petersen großzügig: Beim 2:0 (45.+1) überließ es der etatmäßige Elfmeterschütze dem formstarken Luca Waldschmidt, einen Strafstoß zu verwandeln. „Nils hat mich gefragt, ob ich mich gut fühle“, berichtete Waldschmidt. Mentalitätsbestie Mike Frantz war zuvor von Leipzigs Verteidiger Dayot Upamecano zu Fall gebracht worden. Schiedsrichter Tobias Welz nutzte den Videobeweis, schaute sich in der ReviewArea vor der Osttribüne auffällig lange die Szene noch einmal an. Beim 3:0 (52.) veredelte Frantz per Kopfball eine Flanke von Lukas Kübler. „Wir waren in den Zweikämpfen besser“, meinte Frantz. „Ich glaube, Leipzig war davon ein bisschen überrascht.“Die RB-Kicker waren sich wohl zu sicher gewesen: In den zehn Bundesligaspielen vor der Partie in Freiburg hatte die beste Defensive der Liga nur drei Tore kassiert – am Samstag ließ sich Leipzig in gut 50 Minuten mit drei Gegentreffern abkochen.
„Alle drei Tore kamen nach dem bekannten Freiburger Strickmuster zustande – über Flanken“, sagte Rangnick verärgert und rang nach Erklärungen: „Wir tun uns schwer in Spielen, in denen es über den Fight geht, in denen man physische Präsenz zeigen muss und keinen Schönheitspreis gewinnen kann. Unser Spiel gegen den Ball war nicht zu sehen. Wir haben verdient verloren.“ Aggressive Balleroberung, schnelles Umschalten, Torchancen kreieren – so spielt im Normalfall Leipzig. Am Samstag war all dies allein von Freiburg zu sehen. „Wir haben Probleme gegen Mannschaften, die zunächst aus einem defensiven Ansatz die Räume eng machen, um dann selbst umzuschalten“, analysierte Rangnick.
Nach dieser Vorstellung dürfte die Investitionsbereitschaft der Leipziger noch einmal größer werden – es geht da in der Winterpause um Summen für Neuzugänge, die den ganzen Jahresetat des SC Freiburg übersteigen. Leipzig hat Geld, Freiburg hat Leidenschaft und Zusammenhalt. Mentalität schlägt Mateschitz-Millionen. „Das war eine Top-Leistung von uns“, freute sich Streich nach seinem 100. Pflichtspielsieg und verriet seine weiteren Pläne: „Mineralwasser und ein gutes Schlückli Wiii“, also badischen Wein, werde er sich bei der Weihnachtsfeier des Clubs genehmigen.
Aber Streich wäre nicht Streich, wenn er das nächste Spiel nicht auch schon im Kopf hätte. „Heute ist gut, morgen ist gut, aber dann volle Energie für das Spiel am Samstag in Düsseldorf“, kündigte der 53-Jährige an. „Ich weiß doch, was dort los ist. Die denken: Gegen die Großen gewinnst du eher nicht, aber gegen Freiburg, so glauben sie, kannst du gewinnen. Das wollen wir verhindern.“
Die Zuversicht, dass Streichs Elf auch außerhalb der Trutzburg an der Schwarzwaldstraße überraschen kann, ist nach dem überzeugenden Erfolg gegen Leipzig gewachsen. Freiburg hat ja schließlich nicht nur einfach ein Maskottchen. Sondern auch einen Trainerfuchs.