Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Der unwissende Passagier
Kunden von Airlines laut Verbraucherschützer ungenügend über ihre Rechte aufgeklärt
BERLIN - Hunderte ausgefallene Verbindungen, verärgerte Passagiere – ein Warnstreik des Sicherheitspersonals legte in Deutschland Teile des Flugverkehrs lahm. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, dass Kunden künftig unkompliziert geholfen wird.
Welche Rechte haben Opfer von streikbedingten Flugausfällen?
Die Flüge werden entweder umgebucht oder die Kunden bekommen ihren vollständigen Ticketpreis zurückerstattet. Darüber hinaus haben sie das Recht, während ihrer Wartezeit mit Getränken und – bei einem Aufenthalt von mehr als zwei Stunden – einem Gutschein für eine Mahlzeit versorgt zu werden. Wenn ein Ersatzflug erst am nächsten Tag stattfindet, muss die Airline die Hotelübernachtung bezahlen.
Hat ein Streikopfer zusätzlich Anspruch auf Entschädigung?
In der Regel nicht. Denn laut der Fluggastrichtlinie erhalten Streikopfer keine über die Erstattung des Ticketpreises hinausreichende Ausgleichszahlung. Felix Methmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband weist jedoch darauf hin, dass es sich lohnen kann, genau zu prüfen, wie lange ein Streik tatsächlich gedauert hat. „Oft fallen die Flüge nicht wegen des Streiks selbst, sondern wegen der Streikfolgen aus oder verspäten sich“, sagt er der „Schwäbischen Zeitung“. In solchen Fällen sei es sinnvoll, sich die Begründung genau anzuschauen und gegebenenfalls eine Schlichtungsstelle einzuschalten. Möglicherweise bestehe dann doch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Diese könne je nach Flugdistanz bis zu 600 Euro betragen.
Viele Passagiere kennen ihre Rechte nicht genau. Wie könnte man das ändern?
Eigentlich sind die Airlines verpflichtet, ihre Kunden auf ihre Rechte bei Flugausfällen und Verspätungen hinzuweisen. Doch das geschehe nicht in ausreichendem Umfang, moniert Methmann. „Das muss kundenfreundlicher werden – etwa indem die Gesellschaften in den Flughäfen per Plakat auf die Verbraucherrechte hinweisen oder indem sie die Kunden per Mail oder SMS informieren.“Bei Streiks wüssten die Unternehmen in der Regel vorher, was auf sie und die Passagiere zukommt. „Dann schickt man eine Nachricht an die Kunden und klärt sie über ihre Rechte auf“, sagt Methmann. In einem weiteren Schritt könnten sogar eventuelle Ausgleichszahlungen automatisch auf die Kundenkonten überwiesen werden. „Die Angaben können sich die Unternehmen ja besorgen.“
Muss der Gesetzgeber handeln?
„Wenn sich die Fluggesellschaften dauerhaft weigern, ihren Verpflichtungen nachzukommen, muss die EU ihre Gesetze nachschärfen“, sagt Methmann.
Gibt es beim aktuellen Streik des Sicherheitspersonals Hoffnung auf eine baldige Einigung?
Die gibt es. Allzuweit liegen Gewerkschaft und Arbeitgeber nicht auseinander. Verdi fordert für das Sicherheitspersonal drei Euro mehr in der Stunde, also einen Stundenlohn von 20 Euro. Die Unternehmen bieten 18 Euro.
Drohen weitere Warnstreiks?
Verdi schließt sie jedenfalls nicht aus. Die nächste Verhandlungsrunde ist für 23. Januar angesetzt. „Wenn dann der Knoten nicht durchgehauen wird, sind die Beschäftigten bereit für eine weitere Auseinandersetzung“, kündigt Verdi-Fachbereichsleiterin Andrea Becker an.