Schwäbische Zeitung (Tettnang)
SPD erweitert ihre Pläne gegen Kinderarmut
Parteichefin Andrea Nahles will sich für Kindergrundsicherung einsetzen – Mattheis fordert zusätzliche Schritte
RAVENSBURG/BERLIN - Die SPD versucht weiter, sich in der Regierung in Sachen soziale Gerechtigkeit zu positionieren: Partei-und Fraktionschefin Andrea Nahles stellte vor der Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion Pläne der Partei vor, eine Kindergrundsicherung einzuführen, um Kinderarmut besser zu bekämpfen. Am Mittwoch hatten SPDMinister Franziska Giffey (Familien) und Hubertus Heil (Arbeit) ihren Entwurf für ein „Starke-FamilienGesetz“präsentiert – mit dem einkommensschwache Familien unterstützt werden sollen.
„Wir haben über drei Millionen Kinder in der Grundsicherung, obwohl wir ein sehr wohlhabendes Land sind“, sagte Nahles am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“unmittelbar vor der Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion. Dies sei ein „unhaltbarer Zustand“. Die SPD plädiere daher für eine Kindergrundsicherung, damit Leistungen auch tatsächlich bei den Kindern ankämen. Den Vorschlag hatte Nahles auch im November im Zuge ihrer Forderung nach einer Ablösung des Hartz-IV-Systems formuliert.
Die Ulmer SPD-Bundestagsabgeordnete und Parteilinke Hilde Mattheis bewertet Nahles’ Vorstoß positiv – fordert aber weitere Schritte gegen Kinderarmut. „Das ist absolut richtig und wichtig“, sagte Mattheis der „Schwäbischen Zeitung“. Es müsse aber einhergehen mit weiteren Maßnahmen. Mattheis fordert, bei Familien, die Hartz IV beziehen, das Kindergeld nicht mehr auf die Hartz-IV-Zahlungen anzurechnen. „Von einer Kindergelderhöhung hat eine wohlhabende Familie einiges. eine Hartz-IV-Familie nicht“, sagte Mattheis. Das müsse sich ändern. Auch das „Starke-Familien-Gesetz“begrüßt Mattheis als aus ihrer Sicht richtige Maßnahme gegen Kinderarmut. „Alles, was Eltern für sich zur Verfügung haben, geben Sie unmittelbar an die Kinder weiter, das zeigt die Erfahrung“, sagte Mattheis, „egal, welche Familie das ist.“
Festgefahren bei 15 Prozent
Die SPD-Bundestagsfraktion trifft sich am Donnerstag und Freitag in Berlin. Zum Auftakt wird Nahles sprechen. Neben Bildungschancen, Agrarpolitik und Europawahl soll es auch um die Neuaufstellung der Partei gehen. Die SPD hat erheblich an Wählervertrauen verloren und steht in Umfragen bei etwa 15 Prozent.
In einem Beschlusspapier für die zweitägige Klausur, das auch der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, steht, dass noch in diesem Jahr ein Konzept vorgelegt werden solle. Im Kern geht es demnach darum, bestehende Sozialleistungen und steuerliche Förderungen für Familien zu bündeln. Eine einzige Transferleistung soll den Grundbedarf für Kinder abdecken. Im Gespräch seien Beträge von etwa 620 Euro, die bei höheren Einkommen abgeschmolzen werden. Linken-Chefin Kipping erklärte, es freue sie „außerordentlich“, dass der Zuspruch für eine Kindergrundsicherung wachse. Sie kämpfe seit Jahren dafür. „Nun hat auch die SPD Pläne für eine Kindergrundsicherung vorlegt. Das kann ein Baustein für ein Fundament an Gemeinsamkeiten für einen Politik- und Regierungswechsel sein“, sagte Kipping.
Dialogangebot von der Linken
„Klar ist: An der Seite der CDU wird das nichts“, betonte die Linken-Chefin. Sie schlage daher „einen gemeinsamen Dialog mit dem Bündnis Kindergrundsicherung, Sozialverbänden, SPD, Grünen und Linken vor.“Das Bündnis Kindergrundsicherung, in dem unter anderem Sozialverbände und Gewerkschaften zusammengeschlossen sind, begrüßte die SPDInitiative ebenfalls. „Wir erwarten, dass die SPD dieses Konzept nun in die Koalition einbringt und sich auch die CDU konstruktiv damit auseinandersetzt“, erklärte der Verbandssprecher und Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. „Die Bekämpfung von Kinderarmut kann nicht mehr warten, denn aus armen Kindern
werden viel zu oft arme Jugendliche, dann arme Erwachsene und im Alter arme Rentner. Diesen Kreislauf müssen wir endlich durchbrechen“, erklärte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. Nötig sei dafür „eine mutige, grundlegende Reform“.
Das Bündnis spricht sich für eine Kindergrundsicherung in Höhe des jeweils aktuellen Existenzminimums aus. Mit steigendem Haushaltseinkommen soll der Betrag sinken.