Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kaum Abmahnungen wegen Verstoß gegen EU-Datenschutz
Befürchtete Klagewelle bleibt aus – Baden-Württembergs oberster Datenschützer hat zweimal Bußgelder verhängt
STUTTGART (lsw) - Mehr als sieben Monate nach dem Inkrafttreten neuer Datenschutzregeln in der EU haben sich viele Befürchtungen nicht bewahrheitet. Unternehmen und Verbände hatten vor allem die Sorge, das sie bei Verstößen hohe Strafen zahlen müssen. Allerdings verhängte der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Stefan Brink, bislang nur in zwei Fällen Bußgelder. Das betraf ein soziales Netzwerk, das unverschlüsselt Passwörter von Nutzern gespeichert hatte, die nach einem Hackerangriff im Netz auftauchten. Hier wurde eine Strafe von 20 000 Euro fällig. Ein Bußgeld von 80 000 Euro wurde in einem zweiten Fall verhängt, bei dem Gesundheitsdaten versehentlich im Internet landeten. Details dazu nannte Brink nicht.
Seit Ende Mai 2018 gilt in der EU die Datenschutz-Grundverordnung. Damit wird im Kern die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Unternehmen, Vereine und Behörden geregelt. Die Befürchtungen waren groß, dass Abmahnanwälte ein neues Geschäftsmodell wittern und bei Unternehmen und Verbänden gezielt nach Verstößen suchen könnten. „Hier ist noch nicht viel passiert“, sagte Brink.
Baden-Württembergs Grüne nennen die neuen Regeln einen „Meilenstein für den Schutz von Privatheit und Grundrechten im digitalen Zeitalter“. Rechte und Interessen der Bürger seien in den Mittelpunkt gerückt worden, erklärten die Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart berichtete von einzelnen Fällen, bei denen sich Anwälte bei Firmen gemeldet hätten. Die große Abmahnwelle sei bislang ausgeblieben, sagte Christian Köhn. Allerdings sei zu befürchten, dass sich dies ändern könne. Die Abmahnindustrie möge keine Rechtsunsicherheiten – die gebe es aber noch, solange es keine einschlägigen Urteile zur Datenschutz-Grundverordnung gebe. „Wenn die ersten Urteile da sind, ist damit zu rechnen, dass die Abmahnzahlen steigen.“Datenschützer Brink sieht das ähnlich. „Wir gehen davon aus, dass 2019 mehr Abmahnungen kommen.“Dieses Risiko gebe es vor allem für kleine Gewerbetreibende und Vereine.
Der Beratungsbedarf war immens: Allein die Behörde des Landesdatenschützers informierte im vergangenen Jahr 3000 Bürger, Unternehmen und Vereine – im Jahr davor waren es noch rund 800. Im öffentlichen Bereich gab es einen Anstieg der Beratungen um 50 Prozent auf 1500. Zudem gingen deutlich mehr Beschwerden bei Brink zu Datenschutzverstößen ein: Im privaten Bereich schnellte diese Zahl von rund 2000 (2017) auf 3000 (2018) hoch. Außerdem hat sich die Anzahl der bei Brink gemeldeten Datenpannen im selben Zeitraum verzehnfacht – im vergangenen Jahr waren es 774 Stück.
Der Sprecher des Württembergischen Landessportbundes, Thomas Müller, sagt mit Blick auf die rund 5700 im Bund organisierten Sportvereine: „Die Befürchtungen, dass es zu Abmahnwellen kommt, hat sich glücklicherweise nicht bewahrheitet.“Hingegen hätten viele Vereine noch Fragen zur Umsetzung des Datenschutzes. „Das hat teils auch dazu geführt, das Websites offline genommen wurden“, so Müller.