Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Meersburger Winzer freuen sich über Eiswein
Die süßen Trauben werden bei frostigen Temperaturen mitten in der Nacht geerntet
MEERSBURG
- Zum ersten Mal seit 2003 produziert der Meersburger Winzerverein wieder einen Eiswein. In der Nacht auf Freitag haben 20 Helfer bei einer Temperatur von Minus sieben Grad Celsius rund 600 Kilogramm gefrorene Müller-ThurgauTrauben geerntet und gepresst. Bis Weihnachten wird der süße, dickflüssige Wein voraussichtlich fertig sein.
Winzer müssen sich schon vor der Hauptlese Gedanken darüber machen, ob sie Trauben für Eiswein hängen lassen wollen. „Das geht nur, wenn die Trauben gesund sind, weil sie sonst anfangen zu faulen“, sagt Martin Frank, Geschäftsführer des Winzervereins Meersburg. Einer der Winzer sei auf die Genossenschaft zugekommen und habe angeboten, seine Trauben für diesen Zweck hängen zu lassen. „Sie werden dann im Herbst gegen Vogelfraß gesichert und in Folie gepackt – denn auch die Vögel sind Gourmets und mögen die süßen Trauben gerne“, sagt er. Die Folie schütze die Trauben auch vor anderen äußeren Einflüssen.
Die Temperatur muss stimmen
Um Eiswein produzieren zu können, sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Eine davon ist die richtige Temperatur: Sie muss an zwei aufeinanderfolgenden Nächten bei Minus sieben Grad Celsius oder tiefer liegen. „Laut Weinbauinstitut dürfen wir erst dann den Begriff Eiswein verwenden“, erläutert Frank. Während der kalten Phase sollten die Trauben außerdem nicht auftauen – denn sonst besteht die Gefahr, dass die Fäulnis stärker voranschreitet. Die Winzer müssen also nicht nur zum richtigen Zeitpunkt die Trauben lesen. Sie gehen auch, wenn sie Trauben für Eiswein hängen lassen, das Risiko ein, dass die Früchte kaputt gehen. „Letztendlich müssen Winzer das immer abwägen“, sagt Martin Frank.
Die Meersburger Winzer entschieden am Donnerstag spontan, den Eiswein noch in der Nacht zu lesen. Denn zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits ab, dass die Temperatur wieder steigen würde. Die Bedingungen auf dem Weinberg, der zwischen Meersburg und Riedetsweiler liegt, waren offenbar ideal. Als die Winzer und ihre Helfer um 4 Uhr eintrafen, hatte es dort exakt Minus sieben Grad. „Es war eine Punktlandung“, sagt Frank. Die Feuerwehr stellte einen Lichtmast auf und leuchtete für die 20 Helfer den Weinberg aus.
Sie pflückten und kelterten innerhalb von zwei Stunden rund 600 Kilogramm gefrorene Trauben. „Der Saft lief raus wie dickes Öl“, sagt Frank. Er rechnet damit, dass die Ausbeute etwa bei 150 bis 170 Litern liegen wird. Eiswein ist eine Rarität. Wegen des hohen Risikos und des milden Klimas am Bodensee wird längst nicht jedes Jahr Eiswein produziert. Er ist aber nicht nur selten, sondern hat auch andere Eigenschaften als andere Weine. Weil die Früchte schon am Rebstock trocknen – sie sehen dann fast schon wie Rosinen aus – ist ihr Saft sehr süß. Gefroren gepresst, ist der Saft höchst konzentriert. Am frühen Freitagmorgen haben die Meersburger Winzer einen Zuckergehalt von 134 Grad Oechsle gemessen, was dem Prädikat der Beerenauslese entspricht. „Je höher die Qualität des Weins ist, desto länger kann er gelagert werden“, sagt Frank. Deshalb seien insbesondere Edelsüße Weine beliebt, um sie zum Beispiel anlässlich einer Geburt zu kaufen und dem Kind dann zum 18. Geburtstag zu schenken.
Magischer Moment
Nachts in der Kälte im Weinberg zu arbeiten war für die Winzer ein ganz besonderes Erlebnis. „Es war magisch, fast wie Weihnachten“, berichtet Martin Frank voller Euphorie. In einer Winternacht sei der Blick vom Weinberg über den Bodensee einzigartig, wenn das Licht auf dem anderen Ufer rötlich scheint. Schön sei auch die Gemeinschaft gewesen. „Einer der Winzer hat angeboten, seine Trauben hängen zu lassen und sämtliche Winzer haben dann bei der Lese geholfen. Das ist gelebte Genossenschaft“, sagt Frank.