Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Meersburge­r Winzer freuen sich über Eiswein

Die süßen Trauben werden bei frostigen Temperatur­en mitten in der Nacht geerntet

- Von Barbara Baur

MEERSBURG

- Zum ersten Mal seit 2003 produziert der Meersburge­r Winzervere­in wieder einen Eiswein. In der Nacht auf Freitag haben 20 Helfer bei einer Temperatur von Minus sieben Grad Celsius rund 600 Kilogramm gefrorene Müller-ThurgauTra­uben geerntet und gepresst. Bis Weihnachte­n wird der süße, dickflüssi­ge Wein voraussich­tlich fertig sein.

Winzer müssen sich schon vor der Hauptlese Gedanken darüber machen, ob sie Trauben für Eiswein hängen lassen wollen. „Das geht nur, wenn die Trauben gesund sind, weil sie sonst anfangen zu faulen“, sagt Martin Frank, Geschäftsf­ührer des Winzervere­ins Meersburg. Einer der Winzer sei auf die Genossensc­haft zugekommen und habe angeboten, seine Trauben für diesen Zweck hängen zu lassen. „Sie werden dann im Herbst gegen Vogelfraß gesichert und in Folie gepackt – denn auch die Vögel sind Gourmets und mögen die süßen Trauben gerne“, sagt er. Die Folie schütze die Trauben auch vor anderen äußeren Einflüssen.

Die Temperatur muss stimmen

Um Eiswein produziere­n zu können, sind bestimmte Voraussetz­ungen notwendig. Eine davon ist die richtige Temperatur: Sie muss an zwei aufeinande­rfolgenden Nächten bei Minus sieben Grad Celsius oder tiefer liegen. „Laut Weinbauins­titut dürfen wir erst dann den Begriff Eiswein verwenden“, erläutert Frank. Während der kalten Phase sollten die Trauben außerdem nicht auftauen – denn sonst besteht die Gefahr, dass die Fäulnis stärker voranschre­itet. Die Winzer müssen also nicht nur zum richtigen Zeitpunkt die Trauben lesen. Sie gehen auch, wenn sie Trauben für Eiswein hängen lassen, das Risiko ein, dass die Früchte kaputt gehen. „Letztendli­ch müssen Winzer das immer abwägen“, sagt Martin Frank.

Die Meersburge­r Winzer entschiede­n am Donnerstag spontan, den Eiswein noch in der Nacht zu lesen. Denn zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich bereits ab, dass die Temperatur wieder steigen würde. Die Bedingunge­n auf dem Weinberg, der zwischen Meersburg und Riedetswei­ler liegt, waren offenbar ideal. Als die Winzer und ihre Helfer um 4 Uhr eintrafen, hatte es dort exakt Minus sieben Grad. „Es war eine Punktlandu­ng“, sagt Frank. Die Feuerwehr stellte einen Lichtmast auf und leuchtete für die 20 Helfer den Weinberg aus.

Sie pflückten und kelterten innerhalb von zwei Stunden rund 600 Kilogramm gefrorene Trauben. „Der Saft lief raus wie dickes Öl“, sagt Frank. Er rechnet damit, dass die Ausbeute etwa bei 150 bis 170 Litern liegen wird. Eiswein ist eine Rarität. Wegen des hohen Risikos und des milden Klimas am Bodensee wird längst nicht jedes Jahr Eiswein produziert. Er ist aber nicht nur selten, sondern hat auch andere Eigenschaf­ten als andere Weine. Weil die Früchte schon am Rebstock trocknen – sie sehen dann fast schon wie Rosinen aus – ist ihr Saft sehr süß. Gefroren gepresst, ist der Saft höchst konzentrie­rt. Am frühen Freitagmor­gen haben die Meersburge­r Winzer einen Zuckergeha­lt von 134 Grad Oechsle gemessen, was dem Prädikat der Beerenausl­ese entspricht. „Je höher die Qualität des Weins ist, desto länger kann er gelagert werden“, sagt Frank. Deshalb seien insbesonde­re Edelsüße Weine beliebt, um sie zum Beispiel anlässlich einer Geburt zu kaufen und dem Kind dann zum 18. Geburtstag zu schenken.

Magischer Moment

Nachts in der Kälte im Weinberg zu arbeiten war für die Winzer ein ganz besonderes Erlebnis. „Es war magisch, fast wie Weihnachte­n“, berichtet Martin Frank voller Euphorie. In einer Winternach­t sei der Blick vom Weinberg über den Bodensee einzigarti­g, wenn das Licht auf dem anderen Ufer rötlich scheint. Schön sei auch die Gemeinscha­ft gewesen. „Einer der Winzer hat angeboten, seine Trauben hängen zu lassen und sämtliche Winzer haben dann bei der Lese geholfen. Das ist gelebte Genossensc­haft“, sagt Frank.

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FOTOS: WINZERVERE­IN MEERSBURG Die Trauben sehen fast aus wie Rosinen. Sie haben einen Zuckergeha­lt von 134 Grad Oechsle.
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Die Winzer und ihre Helfer lesen die gefrorenen Trauben bei Minus sieben Grad Celsius.

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