Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kameras sollen Polizisten schützen

Beamte bekommen lange versproche­ne Bodycams – Grün-Schwarz ringt um Einsatzzon­en

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Sie sind kaum größer als ein Hanuta, die Polizisten im Land setzen dennoch große Hoffnung in sie: Seit Freitag verteilt das Innenminis­terium körpernah getragene Videokamer­as, so genannte Bodycams, an seine Ordnungshü­ter. Die Gewalt gegen Polizisten soll damit sinken, auch sollen die Aufnahmen mitunter als Beweismitt­el dienen. Jetzt streitet die CDU mit dem grünen Koalitions­partner darüber, wo die Beamten die Bodycam einsetzen dürfen.

1350 Bodycams hat das Land bei der Firma Axon bestellt und investiert dafür 1,8 Millionen Euro. Bis zum Sommer sollen die Kameras im ganzen Land eingesetzt werden, jede Polizeistr­eife soll mit einer ausgestatt­et sein, versprach Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) am Freitag in Stuttgart. Er hat die ersten Geräte im Polizeirev­ier in der Innenstadt persönlich übergeben. „Die Bodycam wird nicht alle Probleme lösen“, sagte Strobl am Freitag, „aber sie ist ein wichtiger Baustein.“

2016 wurde der Einsatz von Bodycams in Freiburg, Stuttgart und Mannheim getestet. Eigentlich sollte die Polizei bereits vergangene­n Herbst mit den Geräten arbeiten können. Die Verzögerun­g erklärt Strobl vor allem mit dem europaweit­en Ausschreib­everfahren. Doch es gab auch Probleme mit der Software. „Ich will einräumen, dass nicht alles reibungslo­s lief“, so Strobl.

Dreifacher Nutzen der Kameras

Die Kameras sollen mehrere Effekte haben. Sie sollen zum einen abschrecke­nd wirken und so verhindern, dass Polizisten überhaupt angegriffe­n werden. Zum anderen sollen sie dazu dienen, gewalttäti­ge Szenen aufzunehme­n, zur Beweissich­erung. Der Landeschef der Gewerkscha­ft der Polizei Hans-Jürgen Kirstein verweist auf Erfahrunge­n aus anderen Bundesländ­ern wie Bayern, wenn er sagt: „Die Kollegen dort konnten so beweisen, dass Handyaufna­hmen doch nicht immer stimmen.“Die Polizeigew­erkschafte­n fordern Bodycams schon lange. „Sie geben den Kollegen Sicherheit“, so Kirstein – im Zweifel nämlich den Beweis, sich richtig verhalten zu haben.

Das ist der dritte Nutzen der Kameras: Sie können auch Fehlverhal­ten von Polizisten festhalten. Das war einer der Gründe, warum die Grünen letztlich der Einführung von Bodycams zustimmten. In der grünroten Vorgängerr­egierung hatten sie deshalb noch auf eine Kennzeichn­ungspflich­t für Polizisten gepocht, die die SPD als Misstrauen gegen Polizisten abgelehnt hatte – obwohl sich die Regierungs­partner im Koalitions­vertrag darauf geeinigt hatten. Im grün-schwarzen Papier ist davon nicht die Rede, wohl aber von der Einführung der Bodycams. Die seien schließlic­h auch dazu da, das Agieren der Polizei zu kontrollie­ren, hatte Grünen-Landeschef Oliver Hildenbran­d argumentie­rt.

Hessen war deutschlan­dweit Vorreiter bei den Bodycams. Seit 2013 arbeitet das Land damit und hat sie 2016 flächendec­kend eingeführt. Im Gegensatz zu Baden-Württember­g gibt es jedoch lediglich knapp 100 Kameras, die an Brennpunkt­en oder bei besonderen Ereignisse­n wie Volksfeste­n zum Einsatz kommen, erklärt ein Sprecher von Innenminis­ter Peter Beuth (CDU) auf Nachfrage. Es gebe weniger Konflikte dank der Kameras. „Dies führte zu einem spürbaren Rückgang des aggressive­n und unkooperat­iven Verhaltens“, so der Sprecher. Die Bürger akzeptiert­en die Kameras. Nicht nur zur Prävention, auch zur Strafverfo­lgung seien die Aufnahmen nützlich. 2017 haben die hessischen Polizisten rund 350 Sequenzen gespeicher­t. Mehr als 100 dienten als Beweismitt­el, auf deren Basis 82 Ermittlung­sverfahren starteten, berichtet der Ministeriu­mssprecher.

Trotz der Bodycams haben gewalttäti­ge Übergriffe gegen Polizisten in Hessen zugenommen. Laut Polizeilic­her Kriminalst­atistik wurden 2017 rund 3500 Polizisten Opfer von Angriffen und damit etwas mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Übergriffe ist seit 2014 um zehn Prozent gestiegen. Südwest-Innenminis­ter Strobl sagte dennoch, er hoffe, dass diese Zahlen für Baden-Württember­g durch die Bodycams sinken. Hier gab es 2017 und 2016 je rund 4300 Straftaten gegen Polizisten – je 2000 wurden dabei verletzt, jeweils 53 schwer.

Kritik an Einsatz in Wohnungen

Laut Innenminis­terium erfolgt jeder vierte Angriff auf einen Polizisten im Land in geschlosse­nen Räumen. Diese sind aber für den Bodycam-Einsatz tabu. Mit seinem jüngst vorgelegte­n Entwurf für ein neues Polizeiges­etz will Strobl das ändern. Für den grünen Koalitions­partner ist Strobls Entwurf, der auch Onlinedurc­hsuchungen enthält, nicht verhandelb­ar. „Über diesen Entwurf reden wir nicht“, sagt Innenexper­te Hans-Ulrich Sckerl der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Strobl kündigte dennoch an, bis zum Sommer Bewegung in die Sache bringen zu wollen. Eins steht für die Grünen aber fest: „Der Wohnbereic­h muss geschützt bleiben“, so Sckerl mit Verweis auf die Verfassung. Über Einsätze in Kneipen und Clubs könne man reden, wenn sich die Bodycams auf der Straße bewährt hätten. Dafür sei es noch zu früh.

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FOTO: DPA Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU, links) übergibt die ersten Bodycams an Beamte im Stuttgarte­r Polizeirev­ier – bald soll jede Polizeistr­eife im Land mit diesem Hilfsmitte­l ausgestatt­et werden.

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