Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Ich bin dagegen, dass man die Grenzwerte aufweicht“
Der Pneumologe Philipp Meyn fordert alternative Mobilitätskonzepte
Gesundheit geht, ist es immer eine gute Idee, lieber vorsichtig zu sein und Grenzwerte für Schadstoffe, denen alle Menschen täglich ausgesetzt sind, im Zweifel niedriger anzusetzen.
Was sagen Sie zu dem Argument, dass Raucher, die mit jeder Zigarette ein Vielfaches an Stickoxiden und Feinstaub einatmen, „nach wenigen Monaten alle versterben müssten“– und da sie das nicht tun, die Studien falsch sein müssten?
Zunächst einmal stimmt es, dass Raucher bis zu 500 Gramm pro Kubikmeter Feinstaub inhalieren, und das ist eine Million Mal so viel wie der gültige Jahresmittelwert! Das spricht aber nicht dagegen, dass saubere Luft ein sehr hohes Gut ist und jeder Mensch unfreiwillig möglichst gar keinen Luftschadstoffen ausgesetzt werden sollte. Wenn Menschen jeden Tag eine bestimmte Menge an Luftschadstoffen einatmen, über Jahrzehnte hinweg, dann gefährden wir die Gesundheit, insbesondere die von den Schwächsten, also von Kindern, Älteren und vor allem von vorgeschädigten Personen.
In Städten wie Stuttgart oder München sind es vor allem die Stickoxidgrenzwerte, die überschritten werden. Etliche Ihrer Kollegen argumentieren, dass die dort gemessene Konzentration für den menschlichen Körper unbedenklich ist.
Isoliert betrachtet sind Stickoxide für den menschlichen Körper im Bereich um den gültigen Grenzwert laut Herrn Köhler wenig problematisch, weil der Körper diese gut abbauen kann. Allerdings ist es nicht sinnvoll, die Debatte auf Stickoxide zu verengen. Denn diese treten nicht isoliert auf, sondern in einem toxischen Mischmasch aus gesundheitsgefährdenden Substanzen, von dem längst nicht alle an den Messstellen gemessen werden können. Ich würde den gemessenen Stickoxidwert vielmehr als einen Indikator für eine Schadstoffbelastung betrachten.
Was ist Ihr Ratschlag in der aktuellen Grenzwertedebatte?
Sowohl Stickoxide als auch Feinstaub gehören zu den dominanten Risikofaktoren für Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislauf-Systems. Und der Verkehr ist, vor allem in den Städten, ein wichtiger Mitverursacher dieser Luftschadstoffe. Was wir brauchen, sind alternative Mobilitätskonzepte und harte Grenzwerte. Bei der aktuellen Debatte befürchte ich, dass die Anstrengungen, die Luft sauberer zu bekommen, konterkariert werden.
Mit Philipp Meyn hat Andreas Knoch gesprochen.