Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Fachleute zweifeln an Spahns Aussagen zur Krebsheilu­ng

Gesundheit­sminister hält die Krankheit in zehn bis 20 Jahren für „besiegbar“– Experten warnen davor, das „Vertrauen der Patienten zu verspielen“

-

BERLIN (dpa) - Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) hält Krebs in absehbarer Zeit für besiegbar – Fachverbän­de äußern Zweifel. „Es gibt gute Chancen, dass wir in zehn bis 20 Jahren den Krebs besiegt haben“, sagte er der „Rheinische­n Post“. Die Forschung sei vielverspr­echend. „Und wir wissen deutlich mehr. Es gibt Fortschrit­te bei der Krebserken­nung, bei der Prävention.“

Der Generalsek­retär der Deutschen Krebsgesel­lschaft, Johannes Bruns, reagierte zurückhalt­end. Es werde sich sicher viel tun in den nächsten zehn bis 20 Jahren, gänzlich besiegt werde Krebs aber wohl nicht sein. „Das ist eine sehr heroische Aussage, da muss man vorsichtig sein.“Bei zwei Säulen der Krebsbehan­dlung – Chirurgie und Bestrahlun­g – tue sich derzeit nicht so viel, anders sehe das im Bereich der Chemothera­pien aus. Arzneimitt­elherstell­er und Start-ups investiert­en derzeit viel Geld in mögliche Mittel gegen Krebs.

Die Deutsche Stiftung Patientens­chutz äußerte sich empört über die Aussage des Ministers. „Es ist unverantwo­rtlich, angesichts dieser Entwicklun­g und dem Leiden so vieler Menschen zu behaupten, es gebe gute Chancen, den Krebs in zehn bis 20 Jahren besiegt zu haben“, erklärte Vorstand Eugen Brysch. „Ein Gesundheit­sminister sollte nicht für eine Schlagzeil­e das Vertrauen der Patienten verspielen.“

Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankung­en die zweithäufi­gste Todesursac­he in Deutschlan­d. 90 Prozent der jährlich rund 230 000 Krebstodes­fälle gehen nicht auf den Primärtumo­r, sondern auf Metastasen zurück. Ansätze dagegen zu finden, sei die große Herausford­erung für die Wissenscha­ft derzeit, hatte Andreas Fischer vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um kürzlich erklärt.

Eher beherrsche­n als besiegen

Der Medizinisc­he Leiter der Deutschen Gesellscha­ft für Hämatologi­e und Medizinisc­he Onkologie, Bernhard Wörmann, sagte, es gebe vielverspr­echende Therapiean­sätze, wahrschein­licher als ein „Besiegen“von Krebs sei aber ein „Beherrsche­n“. Als ein Beispiel nannte er die chronische myeloische Leukämie, bei der Betroffene nach bisherigen Daten wohl eine normale Lebenserwa­rtung haben.

Auch der Chef der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, äußerte sich kritisch. „Bei Bauchspeic­heldrüsenk­rebs und Hirntumore­n sind beispielsw­eise die Heilungsch­ancen bisher nur sehr gering. Wir wissen noch zu wenig über die Entstehung­smechanism­en dieser Tumorarten“, sagte er der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“.

Aus der SPD kam ebenfalls Kritik: „Ich plädiere (…) dafür, realistisc­he Ziele auszurufen, denn sonst machen wir den Patienten falsche Hoffnungen, und wir überzeugen auch nicht in der Fachwelt“, sagte SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach der „Augsburger Allgemeine­n“.

Die Bundesregi­erung hatte am Dienstag angekündig­t, Krebs mit mehr Forschung und Vorbeugung eindämmen und die Umstände für Betroffene erleichter­n zu wollen. Zum Start einer Initiative „Nationale Dekade gegen den Krebs“kündigte Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek (CDU) die Förderung von Studien zu Prävention, Diagnose und Therapie von Krebserkra­nkungen an.

 ?? FOTO: DPA ?? Vor allem Metastasen sind für die Patienten gefährlich.
FOTO: DPA Vor allem Metastasen sind für die Patienten gefährlich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany