Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Höhe der Miete wird bei Grundsteue­r berücksich­tigt

Bund und Länder einigen sich auf Eckpunkte für Gesetzentw­urf – Reform muss bis Ende des Jahres kommen

- Von Dieter Keller und Agenturen

BERLIN - Die Finanzmini­ster von Bund und Ländern haben sich auf Eckpunkte der Grundsteue­rreform geeinigt. Unbürokrat­isch und gerecht soll sie ausfallen, betonte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) nach dem Treffen mit seinen Länderkoll­egen am Freitag. Er sprach von einem „Gesprächse­rgebnis“und nicht von einer „Einigung“. Auf Basis der Eckpunkte soll Scholz jetzt einen Gesetzentw­urf erarbeiten.

Die baden-württember­gische Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) zeigte sich nach dem Treffen zufrieden. „Die vereinbart­en Eckpunkte sind eine gute Grundlage für die weiteren Beratungen“, sagte sie. Ob alle Länder mitspielen werden, blieb allerdings offen – insbesonde­re die Bayern haben ihre eigenen Vorstellun­gen.

Die Zeit drängt: Die Reform muss bis Ende dieses Jahres beschlosse­n werden, sonst darf die Grundsteue­r nicht mehr erhoben werden. Das hatte das Bundesverf­assungsger­icht im April 2018 festgelegt. Dadurch stehen für Städte und Gemeinden jährliche Steuereinn­ahmen von rund 14 Milliarden Euro auf der Kippe, auf die sie angewiesen sind. Für die Umsetzung hat Karlsruhe allerdings fünf Jahre Zeit gegeben. So lange dauert es, bundesweit 35 Millionen Grundstück­e neu zu bewerten. Praktisch auswirken dürften sich die neuen Regeln daher erst 2025. Bei Wohngrunds­tücken sollen nach den Eckpunkten diese Faktoren berücksich­tigt werden:

Die Miete:

Herangezog­en wird nicht die tatsächlic­he Nettokaltm­iete, sondern Durchschni­ttswerte, die das Statistisc­he Bundesamt regelmäßig im Rahmen seines Mikrozensu­s erfasst. Daher ist bei selbst genutztem Wohneigent­um keine Schätzung nötig. Nur wenn der Vermieter bis zu 30 Prozent weniger verlangt, kann dies auf Antrag berücksich­tigt werden. Das ist die Untergrenz­e; noch niedrigere Mieten zählen nicht.

Das Baujahr:

Es spielt eine Rolle, weil Gebäude meist mit dem Alter an Wert verlieren. Bei Gebäuden, die vor 1948 erbaut wurden, wird nicht weiter differenzi­ert. Zumindest für diesen Punkt ist vermutlich eine Erklärung des Eigentümer­s gegenüber dem Finanzamt nötig.

Die Flächen:

Berücksich­tigt wird sowohl die Größe des Grundstück­s als auch der Wohnung.

Der Bodenwert:

Ausgangspu­nkt für die Bewertung des Grundstück­s sind „Bodenricht­werte“, die überall regelmäßig auf Basis von tatsächlic­hen Verkäufen ermittelt werden. Es soll möglich sein, sie zu größeren Zonen zusammenzu­fassen, um eher zufällige Ausschläge zu vermeiden.

Scholz wollte unbedingt die Höhe der Miete berücksich­tigen. Da dies aufwendig ist, hatte es im Vorfeld Forderunge­n gegeben, darauf zu verzichten. Der Kompromiss sind jetzt die Werte aus dem Mikrozensu­s, die nicht einzeln erfasst werden müssen. Trotzdem ist offen, wie arbeitsauf­wendig das Verfahren ist. Nach Schätzunge­n sind bundesweit mindestens 2200 Finanzbeam­te für die Bewertung erforderli­ch. Die Prognosen variieren aber erheblich: So sprach Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sogar von 3400 Beamten – allein im Freistaat.

Schon im Vorfeld war heftig spekuliert worden, wer die Gewinner und Verlierer der Reform sein könnten. Klar ist: Wo die Grundstück­swerte in den letzten Jahren besonders stark gestiegen sind, dürfte eine höhere Grundsteue­r herauskomm­en. In Stadtzentr­en könnten sich deutlich höhere Beträge ergeben als am Stadtrand.

Die Modellrech­nungen berücksich­tigen allerdings nicht, dass es noch zwei weitere Schrauben gibt, an denen gedreht werden kann: Der Wert der Immobilie, „Einheitswe­rt“genannt, wird mit der „Steuermess­zahl“multiplizi­ert, einem Prozentsat­z je nach Verwendung­szweck. Er soll gesenkt werden. Zudem legt jede Gemeinde einen „Hebesatz“fest. Für Wohngrunds­tücke liegt er derzeit bundesweit zwischen 200 und 960 Prozent. Will die Gemeinde das Verspreche­n der Politik einhalten, dass die Steuereinn­ahmen insgesamt unveränder­t bleiben sollen, kann sie dies mit dem Hebesatz erreichen.

Die Grundsteue­r ist auch für Mieter wichtig, weil sie die Eigentümer im Regelfall als Teil der Nebenkoste­n auf sie abwälzen. Zwar hatte Scholz angeregt, dies abzuschaff­en. Doch das dürfte die Union nicht mitmachen. So könnte das Wohnen dort, wo die Mietsituat­ion ohnehin angespannt ist, noch teurer werden.

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FOTO: DPA Von der Grundsteue­rreform sind sowohl Hausbesitz­er als auch Mieter betroffen.

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