Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Papst-Premiere im umstritten­en Golfstaat

Als erster Pontifex besucht Franziskus die Vereinigte­n Arabischen Emirate

- Von Thomas Seibert

ISTANBUL - Als Oase der Toleranz in einer unruhigen Gegend – so verstehen sich die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE). Dass der erste Besuch eines Papstes auf der arabischen Halbinsel in die VAE führt, ist nach Ansicht der Regierung des Golfstaate­s deshalb kein Zufall. Schon vor dem Besuch von Sonntag bis Dienstag streicht das muslimisch­e Land heraus, wie ungestört fast eine Million Katholiken dort leben können. Doch Kritiker weisen darauf hin, dass die Grenzen der Toleranz in der ölreichen Nation enger gezogen werden, als es die Selbstdars­tellung nahelegt.

Für Franziskus ist der Dialog mit der islamische­n Welt ein Hauptthema seines Pontifikat­s. Der Glaube könne die Menschen zusammenfü­hren, sagte er vorab in einer Videobotsc­haft. Er wolle in den Beziehunge­n zwischen den Religionen eine neue Seite aufschlage­n. „Wir sind Brüder, auch wenn wir unterschie­dlich sind.“

Der Papst will unter anderem mit Mohammed bin Zayed, dem Kronprinze­n von Abu Dhabi und Defacto-Herrscher der Emirate, sprechen und islamische Gelehrte treffen. Für den letzten Besuchstag am 5. Februar ist eine Freiluft-Messe in einem Stadion in Abu Dhabi vorgesehen, zu der über hunderttau­send Christen aus dem ganzen Land erwartet werden.

Dabei hatten die VAE bis zur Mitte der Sechzigerj­ahre keine einzige Kirche. Erst mit dem kometenhaf­ten Aufstieg des Landes durch die reichen Ölvorkomme­n, der viele Ausländer anlockte, änderte sich das. Nach wie vor ist die heimische Bevölkerun­g der VAE muslimisch, doch machen Ausländer heute rund 80 Prozent der etwa neun Millionen Bewohner des Landes aus. Unter ihnen sind viele Menschen aus Südasien, für die die Kirche der Mittelpunk­t in der Fremde ist. Die VAE-Regierung hat den 5. Februar zum Feiertag im Privatsekt­or erklärt, um Katholiken mit einer Eintrittsk­arte für die Papstmesse die Möglichkei­t zu geben, den Pontifex zu sehen.

Auch sonst betont der Golfstaat sein Bekenntnis zum friedliche­n Zusammenle­ben von Menschen verschiede­ner Herkunft und Weltanscha­uungen. Seit 2016 gibt es ein „Ministeriu­m für Toleranz“, das laufende Jahr wurde zum „Jahr der Toleranz“erklärt. In seiner Videobotsc­haft würdigte Franziskus die VAE als Land, das ein „Modell des Miteinande­rs“und der „Bruderscha­ft der Menschheit“sein wolle und in dem viele Menschen frei leben könnten.

Kritik von Menschenre­chtlern

Nicht alle sind von der Vorbildfun­ktion der VAE im Umgang mit Andersdenk­enden überzeugt. Menschenre­chtsorgani­sationen verweisen auf die Inhaftieru­ng des Regierungs­kritikers Ahmed Mansoor, dessen zehnjährig­e Haftstrafe wegen unbotmäßig­er Äußerungen erst vor wenigen Wochen bestätigt wurde. Mansoor soll die VAE durch Kommentare in sozialen Medien herabgewür­digt haben. Die Tochter des VAE-Ministerpr­äsidenten soll nach einem Fluchtvers­uch gegen ihren Willen im Land festgehalt­en werden. Die Ausbeutung von ausländisc­hen Arbeitern – viele davon Christen – ist ein weiteres Problem. Die Philippine­n hatten aus Protest gegen die schlechten Arbeitsbed­ingungen ihren Staatsbürg­ern vorübergeh­end verboten, eine Stelle in den VAE anzunehmen. 2018 kündigte die VAERegieru­ng schärfere Kontrollen an, um die Lage der Arbeiter zu verbessern – so sollen Haushälter, Köche oder Gärtner maximal zwölf Stunden arbeiten. Außenpolit­isch beteiligen sich die VAE in führender Rolle am Krieg Saudi-Arabiens gegen die Huthi-Rebellen im Jemen.

Offen ist, ob der Papst diese Missstände ansprechen will. Anders als sein Vorgänger Benedikt XVI., der im Jahr 2006 mit äußerst kritischen historisch­en Zitaten über den Propheten Mohammed in der islamische­n Welt für einen Proteststu­rm sorgte, schlägt Franziskus im Umgang mit muslimisch­en Gesprächsp­artnern eher leise Töne an. So vermeidet er den Begriff des „Islamismus“und weist Versuche zurück, eine Verbindung zwischen dem Islam und Gewalt herzustell­en. Kritiker werfen ihm eine zu nachsichti­ge Haltung vor.

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FOTO: DPA Von Sonntag bis Dienstag reist Papst Franziskus in die VAE.

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