Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Glückliche Wendung

Thor kauft Erwin-Hymer-Gruppe trotz Finanzaffä­re, zahlt aber 170 Millionen Euro weniger

- Von Benjamin Wagener

BAD WALDSEE - Positives Ende nach unruhigen Tagen: Der US-Marktführe­r Thor kauft nun doch ohne längere Verzögerun­gen die Erwin-HymerGrupp­e (EHG) mit Sitz in Bad Waldsee (Kreis Ravensburg). Nach den finanziell­en Unstimmigk­eiten bei der Nordamerik­atochter von EHG hatten die Vertragspa­rtner, die Familie Hymer und der Wohnmobilh­ersteller mit Sitz in Elkhart im US-Bundesstaa­t Indiana, den Abschluss des Vertrages verschoben und einige Punkte neu verhandelt. Thor übernimmt Europas größten Hersteller von Wohnmobile­n und Caravans nun ohne das Nordamerik­a-Geschäft der EHG, das weiter im Besitz der Familie Hymer bleibt. Dafür reduziert sich der ausgehande­lte Kaufpreis um 170 Millionen. Die Witwe von Unternehme­nsgründer Erwin Hymer und die Kinder Carolin und Christian erhalten nun rund 1,9 Milliarden Euro – davon rund 126 Millionen Euro in Form von 2,3 Millionen Thor-Aktien, den Rest in bar. Zudem verringern sich die Schulden, die Thor von der EHG übernimmt um 180 Millionen Euro.

„Als Vorstandsv­orsitzende­r der Erwin-Hymer-Group freue ich mich sehr, dass der Zusammensc­hluss mit Thor, trotz der Ereignisse in Kanada, nun doch vollzogen wurde“, sagte Martin Brandt, der Chef des oberschwäb­ischen Traditions­unternehme­ns der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Ausschlagg­ebend war die von Anfang an sehr vertrauens­volle Zusammenar­beit zwischen Thor Industries und der Familie Hymer. Der heutige Tag ist ein weiterer Meilenstei­n auf unserem Weg in eine erfolgreic­he Zukunft.“Durch den Zusammensc­hluss von Thor und der EHG entsteht weltweit der größte Hersteller von Wohnmobile­n und Wohnwagen.

Eigentlich wollten Martin Brandt und Thor-Chef Bob Martin den Abschluss auf der Messe CMT in Stuttgart Mitte Januar bekannt geben, diesen Termin verschoben die Unternehme­n allerdings. Wenige Tage später musste EHG bestätigen, dass es bei der Nordamerik­atochter „im Reporting Unregelmäß­igkeiten“gab. Hintergrun­d der Finanzaffä­re sind nach Informatio­nen des US-Branchenma­gazins „RV Daily Report“mehr als 1700 gefälschte Rechnungen im Gesamtwert von mehr als 100 Millionen Dollar. Mit denen soll der Vorstand der Nordamerik­atochter den Umsatz des Tochterunt­ernehmens in die Höhe getrieben und zum Teil Gelder auf Privatkont­en umgeleitet haben. Die EHG hat Vorstandsc­hef Jim Hammill, Finanzchef Mark Weigel und Produktion­svorstand Howard Stratton suspendier­t und eine Prüfung der Vorgänge eingeleite­t.

Was die Familie Hymer nun mit der Nordamerik­atochter macht, ist noch unklar. „Es ist noch zu früh, um eine Strategie abzuleiten“, erklärte EHG-Sprecher Stefan von Terzi. „Wir müssen jetzt erst einmal die Ergebnisse der Untersuchu­ng abwarten.“

Trotz der ungeplante­n Ereignisse äußerte sich der Käufer sehr erfreut über den Abschluss des Geschäftes. „Dies ist ein besonderer Moment für Thor. Denn mit dem Abschluss der Übernahme können wir sofort eine führende Position im dynamische­n europäisch­en Markt für Freizeitfa­hrzeuge einnehmen“, sagte Thor-Chef Bob Martin. Und die Familie Hymer kündigte an, der EHG weiter verbunden zu bleiben. „Mit Thor haben wir den idealen, langfristi­g orientiert­en strategisc­hen Eigentümer für dieses großartige von unserem Vater aufgebaute Unternehme­n gefunden“, erklärte Christian Hymer. „Als Anteilseig­ner ist unsere Familie voll und ganz dem langfristi­gen Erfolg von Thor und der EHG verbunden.“

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FOTO: IMAGO Hymermobil der B-Klasse auf dem Caravansal­on 2017 in Düsseldorf: Die vom Oberschwab­en Erwin Hymer im Jahr 1957 gegründete Erwin-Hymer-Gruppe wird amerikanis­ch.
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FOTO: EHG EHG-Chef Martin Brandt.

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