Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wenn das Internet den Gründergeist bremst
Start-ups wünschen sich vor allem ein schnelles Netz ohne Lücken – Baukapazitäten laut Ministerpräsident erschöpft
STUTTGART - Verworrene Kabel, herumliegende Stifte, ständig verlegtes Werkzeug: Alltagsprobleme ohne eine gescheite Lösung: „Das muss nicht sein“, sagt der Ulmer Jungunternehmer Ihab Fleega, „wir haben Pinnns.“Schaumstoffkegel, variabel auf einer Bodenplatte befestigt, halten fest, was nicht verrutschen darf oder verloren werden soll: „Sogar Flaschen“, beweist Fleega, der am Freitag auf der Gründermesse „Startup BW Summit“in Stuttgart gemeinsam mit 400 weiteren Ausstellern seine Ideen präsentierte und nach Geschäftspartnern oder Investoren suchte. 5000 Besucher zählte die Messeleitung.
Das Wirtschaftsministerium investiert massiv in die Start-up-Förderung. 68 Millionen Euro sollen in diesem Jahr in die Förderung junger Firmen fließen, kündigte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) an. Wie viele Firmen dank dieser Unterstützung aus der Taufe gehoben wurden, konnte das Ministerium nicht beziffern. In den vergangenen zehn Jahren erhielten demnach insgesamt 45 Firmen Kapital. Das Gesamtvolumen belief sich auf 150 Millionen Euro – die Mehrzahl der Firmen habe überlebt.
Doch immer weniger Gründer wagen den Weg in die Selbstständigkeit: Wegen der guten Lage am Arbeitsmarkt war die Zahl der Existenzgründungen in den vergangenen Jahren immer weiter zurückgegangen. Nach den aktuellsten Zahlen waren 2017 nur noch 66 300 Gewerbebetriebe neu angemeldet worden.
Auf dem Start-up-Gipfel gibt sich die Gründerszene ein Stelldichein mit sehr praktisch zu nutzenden Produkten wie dem Ordnungssystem von Fleega. Die meisten Gründer aber bieten internet-basierte Produkte oder Lösungen an. Wie beispielsweise Özbas Tamer, auch er stammt aus Ulm und präsentiert „Smart-Schränke“. Die Möbelstücke öffnen ihre Schubladen oder Türen automatisch auf einen Stimmbefehl: „Das ist für behinderte Menschen, die die Türen nicht von Hand öffnen können, sehr praktisch“, sagt Tamer. Hightech hat seinen Preis: 3000 Euro ruft der gelernte Mechatroniker, der derzeit noch bei einem Automobilzulieferer arbeitet, aber schon bald den Sprung in die Selbstständigkeit wagen will, auf.
Verbindungsprobleme
Für Gründer wie den Pinnn-Erfinder Fleega oder den Smart-Möbelbauer Tamer hält das Land zahlreiche Beratungsangebote bereit, doch wünschen sich die meist jungen Leute für ihr Internet der Dinge vor allem flächendeckend schnelles Internet. Dass während des Gipfeltages selbst in der Stuttgarter Messehalle das WLAN regelmäßig zusammenbricht und auch nicht die erforderlichen Kanäle bereithält, quittieren die Gründer mit einem Schulterzucken: „Wir haben nichts anderes erwartet.“Und auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kann auf Nachfrage nur auf fehlende Kapazitäten der Baufirmen verweisen: „Es liegt nicht am Geld oder dem guten Willen, es liegt an den Baufirmen, die nicht mehr als heute bauen können.“Den Gürtel mit einer Navigationssoftware für Wanderer, den Kretschmann zuvor an einem Startup-Stand bewundert hat, könne er in weiten Teilen des Landes gar nicht nutzen, räumt der Landesvater und begeisterte Wanderer ein: „Aber wir arbeiten dran.“
Zurück in die Halle: Der Rundgang führt vorbei an elektrischen Handprothesen zu Software-Lösungen, die ineffiziente Strukturen in produzierenden Betrieben aufspüren, vorbei an einer jungen Frau, die Freundschaftsbänder für Pferde herstellt. An einem weiteren Stand duftet es nach Kaffee: „Gutes von hier“versammelt 500 schwäbische Manufakturproduzenten und präsentiert ihre Delikatessen in guten Innenstadtlagen.
Doch bleibt das Internet der Dinge Maß aller Gründerdinge: „Und für die Keksdose haben wir Software-Vorlagen, die man sich für den 3-DDrucker daheim herunterladen kann“, erklärt der mit 21 Jahren wohl jüngste Gründer, der Student Moritz Wobith mit seiner Firma Raisnpick von der Friedrichshafener Zeppelin University: „Bei uns kann sich jeder die eigene Zukunft ausdrucken.“