Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Politisch unruhige Zeiten rufen The Specials auf den Plan

Die Ska-Pioniere liefern mit der Studioplat­te „Encore“eine Zugabe

- Von Werner Herpell

Smarte Popmusik für politisch unruhige Zeiten in Großbritan­nien – das war die Kernkompet­enz von The Specials schon vor 40 Jahren. Ein Comeback, bei anderen Bands nach schier endloser Kreativpau­se durchaus fragwürdig, ergibt im Falle dieser SkaPionier­e aus Coventry Sinn: Denn politisch unruhig sind die Zeiten im uneinigen Brexit-Königreich von heute nun wirklich wieder.

Eine Rückkehr der Specials – deutlich später als etwa die Ska-PopKollege­n Madness oder The Selecter – war also hochwillko­mmen. Und hier ist sie nun, die erste Studioplat­te mit Originalsä­nger Terry Hall seit „More Specials“von 1980 – bis vor Kurzem noch kaum für möglich gehalten und süffisant „Encore“(„Zugabe“) betitelt.

Stilvoll und mit Spielfreud­e

Aus der Besetzung des legendären Debüts „The Specials“(1979) sind neben Hall noch Gitarrist Lynval Golding und Bassist Horace Panter dabei. Kein Neville Staple als zweiter Sänger also, kein Jerry Dammers – der Keyboarder und Songschrei­ber blieb im Streit außen vor. Was die drei aktuellen Specials-Männer zusammen mit einer größeren Schar Gastmusike­r auf „Encore“noch hinbekomme­n, ist gleichwohl mehr als respektabe­l.

Stilvoll und mit staunenswe­rter Spielfreud­e fusioniere­n sie in zehn Songs – überwiegen­d neues Material, aber auch einige Coverversi­onen – wieder Ska, Reggae, Pop und Bläser-Soul. Als wären sie nie weg gewesen. Und doch mit brandaktue­ller Dringlichk­eit.

So passt das Anti-RassismusS­tück „Black Skin Blue Eyed Boys“– im Original 1968 von The Equals – perfekt in eine Zeit, die nicht nur in Großbritan­nien und den USA von Abschottun­g und Diskrimini­erung geprägt ist. Aus der Wahl dieses Openers spreche „die vielleicht idealistis­che und naive Hoffnung, dass die Menschheit irgendwann einmal über Farben hinwegsehe­n wird“, sagte Hall im Interview des Online-Musikmagaz­ins „laut.de“. Und er fügte hinzu: „Innerhalb der Band betrachten wir uns schließlic­h auch nicht als Schwarze und Weiße, sondern als Menschen.“

Der Zynismus der Politiker

Mit Liedern wie „Too Much Too Young“oder „Ghost Town“, später mit „Racist Friend“und dem AntiAparth­eid-Welthit „Nelson Mandela“(in der Nachfolge-Version The Special A. K. A.) war diese Band stets dezidiert sozialkrit­isch, anti-rassistisc­h, links. Und sie hat bei ihrer Rückkehr den Furor nicht an der Studio-Garderoben­tür abgegeben.

Beispielsw­eise „Vote for Me“, die erste Specials-Single seit einer gefühlten Ewigkeit – es geht um den Zynismus vieler Politiker. „Sie denken, nur weil sie gerade eine Agenda haben, müssen wir ihr folgen. Doch am Ende lassen dich Politiker meistens im Stich“, sagte Hall (59), der nach den Specials-Jahren auch mit Fun Boy Three und The Colourfiel­d einigen Erfolg hatte, in dem Interview.

Ein wichtiger Grund, endlich mal wieder frische Specials-Stücke zu verfassen, waren neben der politische­n Großwetter­lage im UK auch konkrete Konzertplä­ne. „Es steht eine neue Tournee an, da wollten wir ein paar neue Lieder haben“, sagte Bassist Horace Panter dem „Musikexpre­ss“(Februar). Diese Tournee führt die nach wie vor mitreißend­e Liveband The Specials auch für ausverkauf­te Konzerte nach Deutschlan­d – und das könnte komplizier­t werden.

„Es ist eigentlich nicht lustig, aber unser allererste­r Auftritt der Tour ist in Köln und findet genau an dem Tag statt, an dem England offiziell nicht mehr Teil von Europa ist“, sagte Hall mit Blick auf einen möglicherw­eise chaotische­n Brexit Ende März. „Ich habe keine Ahnung, welche Auswirkung­en die Sache auf uns haben wird. Aber mit dieser Ahnungslos­igkeit sind wir ja bekanntlic­h nicht allein – was die Lächerlich­keit des ganzen Szenarios schön zusammenfa­sst.“(dpa)

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FOTO: UNIVERSAL MUSIC Drei Briten, die es nochmal wissen wollen: Lynval Golding, Terry Hall und Horace Panter (von links) von der Band The Specials.

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