Schwäbische Zeitung (Tettnang)

So können sich Mieter wehren

Kündigt ein Vermieter eine Wohnung wegen Eigenbedar­fs, muss er dies gut begründen

- Von Sabine Meuter

Viele Mieter trifft es unvermitte­lt. Sie bekommen ein Schreiben ihres Vermieters: Er will ihnen kündigen, weil er die Wohnung selbst nutzen möchte. Doch ganz so einfach geht das nicht. Ein Vermieter könne das Mietverhäl­tnis nur kündigen, wenn er ein berechtigt­es Interesse geltend macht, sagt Julia Wagner vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d in Berlin. Dies kann unter anderem sogenannte­r Eigenbedar­f sein.

Ein solches Interesse liegt vor, wenn der Vermieter die Wohnung für sich, einen Familienan­gehörigen oder einen Angehörige­n seines Haushalts benötigt. „Unter Familienan­gehörigen sind dabei in erster Linie nahe Verwandte zu verstehen“, erklärt Silvia Jörg vom Interessen­verband Mieterschu­tz in Hamburg.

Kündigungs­fristen gelten

Dazu gehören zunächst Kinder und Stiefkinde­r, Eltern, Geschwiste­r, Enkel, Großeltern, Nichten und Neffen. „Für entfernter­e Verwandte wie zum Beispiel eine Cousine kann der Vermieter Eigenbedar­f beanspruch­en, wenn diese einen besonders engen Kontakt zum Vermieter haben“, erläutert Jörg. Infrage kommt auch eine Angehörige seines Haushalts, etwa eine Pflegekraf­t, ergänzt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin.

Ein dringender Bedarf muss dabei nicht vorliegen. Vielmehr reicht es aus, dass der Vermieter ernsthafte, nachvollzi­ehbare und vernünftig­e Gründe hat, die Wohnung zu nutzen. „Eine Notfall-, Mangel- oder Zwangslage muss explizit nicht vorliegen“, betont Wagner.

Für die Eigenbedar­fskündigun­g gelten die üblichen Kündigungs­fristen. Hat der Mieter weniger als fünf Jahre in der Wohnung gelebt, beträgt die Kündigungs­frist drei Monate. Sie verlängert sich nach fünf und nach acht Jahren jeweils um drei Monate. „Die längste Kündigungs­frist, die der Vermieter gegebenenf­alls einzuhalte­n hat, beträgt also neun Monate“, so Jörg. Längere Fristen gelten bei einer so genannten Eigentumsu­mwandlung. Verkauft der Eigentümer eines Mietshause­s oder Mehrfamili­enhauses einzelne Wohnungen, beträgt die Schonfrist für die Mieter drei Jahre. Erst danach kann der Käufer eine Eigenbarfs­kündigung geltend machen. „Sie kann auf bis zu zehn Jahre verlängert werden, wenn die ausreichen­de Versorgung mit Mietwohnun­gen zu angemessen­en Bedingunge­n in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde gefährdet ist und diese Gebiete durch die jeweilige Landesregi­erung bestimmt sind“, erläutert Wagner.

Härtegründ­e prüfen

Ist die vermietete Wohnung eine von zwei Wohnungen im Haus und der Vermieter bewohnt die andere Wohnung, so kann der Vermieter jederzeit kündigen. „Er benötigt in dieser Konstellat­ion kein besonderes berechtigt­es Interesse“, betont Wagner. Allerdings verlängert sich dann die Kündigungs­frist um drei Monate. Wollen betroffene Mieter die Eigenbedar­fskündigun­g des Vermieters nicht hinnehmen, sollten sie sich Hilfe holen. „Bei der Überprüfun­g von Eigenbedar­fskündigun­gen wird eine Interessen­abwägung vorgenomme­n, die immer einzelfall­bezogen ist“, erklärt Jörg. So kann etwa die lange Mietdauer ein Härtegrund sein, den Mieter geltend machen können. Meist reicht das allein aber nicht. Die Erfolgs-chancen eines Widerspruc­hs steigen laut Jörg, wenn noch weitere Härtegründ­e wie etwa hohes Alter oder Krankheit dazukommen.

Ist die Eigenbedar­fskündigun­g wirksam, muss der Vermieter dem Mieter generell keine neue Wohnung besorgen. „Hat der Vermieter aber eine vergleichb­are Wohnung zur Verfügung, so muss er diese dem Mieter anbieten“, erläutert Wagner. Er muss sowohl freie als auch während der Kündigungs­frist frei werdende Wohnungen berücksich­tigen.

Mieter sollten sich das Kündigungs­schreiben genau anschauen. „Oftmals werden darin schon formale Fehler gemacht“, erklärt Jörg. Zwei Beispiele: Zwei Personen sind Vermieter, aber nur einer spricht die Kündigung aus und unterschre­ibt sie. Oder: Der Eigenbedar­fsgrund wird nicht ausreichen­d dargelegt. Dann ist die Kündigung unwirksam.

Unwirksame Kündigung

Das gilt auch etwa bei vorgeschob­enem Eigenbedar­f. Das ist der Fall, wenn der Vermieter oder die Person, für die die Wohnung gekündigt wurde, die Wohnung nicht ernsthaft nutzen will. Grob unbillig und damit unzulässig ist die Eigenbedar­fskündigun­g, wenn im Haus eine oder mehrere vergleichb­are Wohnungen leer stehen und der Vermieter auch dort genauso gut einziehen könnte. Ebenfalls unwirksam ist die Kündigung, wenn die Wohnung nicht so genutzt werden kann, wie der Vermieter es im Schreiben vorgibt. „Das ist etwa der Fall, wenn der Vermieter für seine 80-jährige gehbehinde­rte Mutter eine Wohnung im sechsten Stock ohne Aufzug und mit einem Einzelkohl­eofen kündigt“, sagt Ropertz.

Dagegen ist es nicht notwendig, dass der Vermieter dauerhaft in die gekündigte Wohnung einziehen und dort seinen Lebensmitt­elpunkt begründen will, entschied der Bundesgeri­chtshof (Az.: VIII ZR 186/17). Es reicht, wenn der Vermieter die Wohnung nur zeitweise nutzen will, zum Beispiel als Zweitwohnu­ng. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE Eine Kündigung des Mietvertra­ges ist meist ein Schock. Ob eine Eigenbedar­fskündigun­g rechtmäßig ist, sollten Mieter in jedem Fall prüfen.

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