Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Richard Brox
Bei eisigen Temperaturen obdachlos auf der Straße zu leben – Richard Brox weiß, wie brutal hart und gefährlich das ist. „Es ist eine Schande, dass es im reichen Deutschland immer noch Kältetote gibt“, sagt der gebürtige Mannheimer und schüttelt den Kopf. 30 Jahre lang hatte er keinen festen Wohnsitz. Dann schrieb er ein Buch darüber, es wurde ein Bestseller. „Kein Dach über dem Leben“verkaufte sich mehr als 30 000 Mal. Reich hat es ihn aber nicht gemacht. „Ich lebe vom Leergutsammeln und vom Betteln“, sagt der 54-Jährige. Ex-Obdachloser und Bestsellerautor: Richard Brox.
Aber Brox hat einen Traum: eine hospizähnliche Wohngemeinschaft für Wohnungslose, die bisher einsam an Krebs oder Aids auf der Straße oder in einer Klinik sterben. „Diese Menschen will ich auf ihrem letzten Weg begleiten“, sagt er. Fast die kompletten Einnahmen aus dem Buch lässt er für seinen Plan ansparen. Seit Erscheinen der Biografie im Jahr 2017 geht das so, jetzt rückt der große Moment näher. „Spätestens im Frühjahr 2020 soll es so weit sein“, erzählt er. Gemeinsam mit Mitstreitern, etwa dem Journalisten Günter Wallraff (76), sucht er derzeit eine geeignete Wohnung in Köln.
Er selbst lebt seit Kurzem in einer kleinen Wohnung in Köln, nach Jahrzehnten in Obdachlosenheimen. Heute hält er Lesungen und schildert in Interviews sein Leben. Das Buch hat vieles verändert für ihn, nicht nur zum Guten. In der „Streunerszene“ist er nicht mehr Gleicher unter Gleichen. „Ich habe in Unterkünften nicht nur einmal die Erfahrung gemacht, dass ich erkannt worden bin, und die erste Frage war: ,Du bist doch der Bestsellerautor, spendier mal 'nen Kasten Bier’“, erzählt der stämmige Mann mit bitterem Unterton. Nach Jahrzehnten auf der Straße hat Richard Brox auch unter Nichtsesshaften keine echte Heimat mehr, scheint es. Wolfgang Jung