Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Landwirt sucht Paten für eine Blühwiese

Gartenbesi­tzer sollen weniger mähen und mehr Blumen blühen lassen

- Von Dirk Augustin

LINDAU - Zwischen Naturschüt­zern und Landwirten tobt weiter der Streit über das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“. Die Lindauer Bauern sehen dabei viel Verantwort­ung bei Gartenbesi­tzern. Ein Obstbauer richtet zusätzlich eine Blühwiese für all die ein, die selbst keinen Garten haben. Auch die Stadt will was für Artenvielf­alt tun.

Nach wie vor sehen sich heimische Landwirte durch das Volksbegeh­ren zu unrecht an den Pranger gestellt. Bei Diskussion­en nicht nur im Internet beklagen sie, das Volksbegeh­ren werde nur sie einschränk­en, dabei könnte jeder etwas für den Erhalt der Artenvielf­alt tun: Jeder Gartenbesi­tzer sollte zumindest ein paar Quadratmet­er Blühwiese in seinem Garten einrichten.

Das ist ganz einfach: Auf das Erdreich entspreche­nde Saat-Mischung aufbringen und einfach wachsen lassen. Auf keinen Fall mähen. Im Laufe der Zeit könnte sogar aus jedem Rasen eine Blühwiese werden, wenn die Besitzer den Rasenmäher stehen lassen. Neuartige Mähroboter, die täglich den Rasen stutzen, sind dagegen Gift für Bienen und andere Insekten, denn sie lassen gar keine Blühpflanz­e mehr hochkommen. Nicht mal Gänseblümc­hen finden sich in den sattgrünen Rasenfläch­en.

Noch schlimmer sind für die Stadträte Stefan Büchele (CSU) und Matthias Kaiser (BL) die Steingärte­n, die auch in Lindau immer beliebter werden, weil sie als pflegeleic­ht gelten. Aber auch dort haben blühende Blumen keine Chance. Büchele und Kaiser regten deshalb im GTL-Werkaussch­uss am Donnerstag an, die Verantwort­lichen der Stadtplanu­ng sollten prüfen, ob die Stadt solche Gärten für neue Baugebiete von vornherein im Bebauungsp­lan verbieten kann.

Büchele forderte außerdem, dass die Stadtgärtn­erei an Straßenrän­dern viel weniger mähen soll. Stattdesse­n regte er an, diese Flächen in Blühwiesen umzuwandel­n. Das spare Kosten, weil die Gärtner nicht so oft mähen müssen. Das sehe zudem schön aus. Und es biete den Insekten den Lebensraum, den Umweltschü­tzer derzeit anmahnen. Weil blühende Blumen fast alle Menschen erfreuen, kann sich Büchele sogar vorstellen, zumindest Teile der Stadtparks auf der Insel in Blühwiesen umzuwandel­n und auch dort nur noch selten zu mähen.

Weil es auch in Lindau viele Menschen gibt, die in Mietwohnun­gen leben und keine Gartenfläc­he in eine blühende Landschaft verwandeln können, hat ein Lindauer Landwirt ein neues Angebot: Für einen Euro können Lindauer bei ihm eine Patenschaf­t für einen Quadratmet­er Blühwiese übernehmen. Der Obstbauer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, damit niemand das als Werbeaktio­n missverste­hen kann, hat ein 400 Quadratmet­er großes Grundstück in Hanglage im Blick, das am Rande einer seiner Obstanlage­n liegt. Dort sei Obstbau sowieso schwierig, deshalb eigne sie sich gut als Blühwiese.

Landwirt sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

Nach einem ersten Aufruf in der Facebookgr­uppe „Du weißt, dass Du aus Lindau bist“hat der Landwirt bereits Zusagen für mehr als 350 Quadratmet­er Blühwiese. Er ist nun gespannt, ob die Interessen­ten im Frühjahr zu ihren Zusagen stehen, wenn er aussäen will und dafür von jedem Paten pro Quadratmet­er einen Euro einsammeln will. Damit verdiene er keinen Cent, sagt er. So hoch seien aber die Kosten für Bodenbearb­eitung, Saatgut, Aussaat und Pflege.

Der Landwirt freut sich über die schnelle und gute Resonanz, denn eigentlich hatte er eine Welle der Kritik befürchtet. „Das zeigt mir, dass es Interesse an der Landwirtsc­haft gibt.“Er freut sich auch, dass in der ländlichen Region des Landkreise­s weniger Menschen das Volksbegeh­ren unterstütz­en als in Städten. Für ihn ist das ein Zeichen, dass die Menschen hierzuland­e die Arbeit der Landwirte schätzen und ihnen nicht weitere Gängelei auferlegen wollen. „Unsere beste Produktion funktionie­rt nur im Einklang mit der Natur“, ist er sicher. In Agrarfabri­ken möge es anders sein, aber heimische Kleinbetri­ebe arbeiten seiner Meinung nach schon aus Eigennutz so, dass die Böden auch in vielen Jahren noch gute Erträge bringen.

Von den Initiatore­n des Volksbegeh­rens fühlt sich der Landwirt als Sündenbock hingestell­t, zumal die Bauern im Vorfeld nicht eingebunde­n gewesen seien: „Ich bin nicht für das Volksbegeh­ren. Ich bin aber sehr für den Naturschut­z.“

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ARCHIVFOTO: SCHALL Eine solche Blühwiese plant ein Lindauer Landwirt, wenn ausreichen­d Lindauer sich am Projekt finanziell beteiligen.

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