Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ausmisten
Ich habe meinen Kleiderschrank ausgemistet. Es gibt Leute, die bei den ersten warmen Frühlingssonnenstrahlen ihre Winterstiefel einmotten, während andere ihre Fahrräder im Keller spinnwebbefreien. Ich miste den Kleiderschrank aus. Na ja, nicht jedes Jahr. Jedes dritte, vierte, manchmal auch fünfte. Dabei gibt es drei Kategorien. 1. „Fliegt raus“. Dazu zählt alles was löchrig ist, vergilbt oder mir nicht mehr passt. 2. „Fraglich“. Könnte man noch gut im Haus, beim Fensterputzen oder im Garten anziehen. 3. : „Kann zurück in den Schrank“.
Unter Kategorie zwei fallen immer die meisten Teile. Ich kann mich ganz schlecht von etwas trennen. Dabei gibt es bereits bergeweise früher aussortierte Garderobe für Haus, Fensterputz und Garten. Ich möchte dazu sagen, dass mein Gärtchen winzig ist, und Fensterputzen ist auch nicht gerade mein Ding. Mit den aussortierten Klamotten könnte ich jedenfalls wochenlang Fenster putzen und dabei immer was Anderes anziehen.
Beim Ausmisten fand ich zwei alte Schätze wieder. Das eine ist eine Kniebundhose, mit der ich vor Jahrzehnten bei einer spektakulären Skilanglaufabfahrt eine filmreife Sturzszene hinlegte, das andere sind lange dicke Wollstrümpfe aus den Anfängen der Firma Vaude, ich glaube von 1974. Damit könnte ich ohne weiteres warmbefußt den Mount Everest besteigen. Das werfe ich natürlich auf keinen Fall raus. Diese beiden Dinge machen mich auch heute noch glücklich. – Nach Marie Kondo, der derzeit überaus erfolgreichen japanischen Ordnungs-, Wegwerf- und Aufräumberaterin muss man sich nämlich bei allem und jedem, was sich in der Wohnung befindet, fragen, ob es einen noch glücklich mache. Aber bezieht sich das auch auf in der Wohnung befindliche, zum Hausstand gehörende Personen? Das muss ich noch abklären.