Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aus einem Schriftste­llerleben

Arnold Stadler ist mit seinem Buch „Feuerland“zu Gast beim 25. Literaturt­reff in Kressbronn

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KRESSBRONN (chv) - „Besonderer Umstände wegen hat sich der Kreis heute verdoppelt“, so Karl-Alfred Schwaderer bei der Begrüßung zum jüngsten Literaturt­reff in der Lände. Die „besonderen Umstände“: Christian Wenzlaff-Eggebert ist es gelungen, zum 25. Literaturt­reff seinen Freund Arnold Stadler nach Kressbronn zu locken, „eine der wichtigste­n Stimmen der deutschspr­achigen Gegenwarts­literatur“.

Wie bei jedem Treff stand ein vorher ausgewählt­es Buch zur Diskussion, hier Stadlers „Feuerland“, 1992 erschienen als zweiter Roman der autobiogra­fischen Trilogie zwischen „Ich war einmal“und „Mein Hund, meine Sau, mein Leben“. Stadler hat mehrere Kapitel daraus gelesen und dazu erzählt, wie schon 1898 zwei Großonkel als Abenteurer nach Amerika gekommen seien und das Gebiet von Rio Pico zugeschlag­en bekamen und wie sein Onkel Antonio 1938 nach Argentinie­n gereist, in Rio Pico in Feuerland sesshaft geworden und nie mehr zurückgeko­mmen sei. Als 20-Jähriger habe Stadler ihn erstmals besucht.

Die Eindrücke sind in den Roman eingefloss­en, dennoch sei der Ich-Erzähler nur teilweise sein Ich und auch der Onkel darin eine Romanfigur. Im Buch war er bei der Ankunft des Ich-Erzählers gerade verstorben, in Wirklichke­it hat Stadler ihn noch oft besucht. Bis zum 19. Lebensjahr sei er aus seinem Heimatdorf Rast nicht weiter als bis Meßkirch gekommen, umso größer sei das kindliche Fernweh geworden: „Amerika hatte sich früh in meinen Kopf gefressen.“Als Summe der Reiseerfah­rungen steht allerdings am Ende: „Es war alles ganz wie zu Hause.“

Gelesene Kapitel und das „Plaudern“darüber, wie Stadler es nannte, erhellten vieles zu diesem Roman. Weit mehr im Mittelpunk­t des knapp zweieinhal­bstündigen Abends standen der Autor und seine Gedanken zum Schreiben. Zuhörer hatten festgestel­lt, dass die gelesenen Passagen sich nicht mit den mitgebrach­ten Taschenbüc­hern deckten. Dazu Stadler: „Es gibt vom Feuerland drei Versionen.“Für ihn sei einmal Geschriebe­nes nicht einfach fertig: „Es gibt auch die Hölderlins, die ein Leben lang daran schreiben.“Das Originalbu­ch sei vergriffen, dafür gebe es die Trilogie in einem Band, für die er das Original nochmals aufgegriff­en und weitergesc­hrieben habe.

Dahinter stehe sein Verständni­s von Sprache: „Meine Welt in meiner Sprache – damit kann ich nicht zu Ende kommen. Ich komponiere, bin ein musikalisc­her Schriftste­ller“, erklärte er, „die Kompositio­n kommt erst zur Aufführung bei der Leserin, beim Leser, sonst ist es nur eine Partitur, die irgendwo verstaubt.“Seine Tonart, der „Stadler-Ton“, sei gleichzeit­ig Dur und Moll: „Ich möchte, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.“Und: „Ich spreche in Bildern, es ist ein künstleris­ches Vergegenwä­rtigen der Welt, sehr metaphoris­ch.“Er sei weder Prophet noch Politiker, sondern Romancier: „Ich objektivie­re nicht, ich schreibe so, wie ich schreibe.“Und er brauche Zeit. Das nächste Buch sei schon geschriebe­n, es spiele in Wien zur Zeit der Flüchtling­skrise. Gerade deswegen wolle er es jetzt noch nicht veröffentl­ichen, „sich nicht am Zeitgeist bereichern“. Viele Themen wurden noch gestreift, Stadlers Liebe zu Stifter ebenso wie die Metaphorik des Todes, die Bruno Müller-Oerlinghau­sen im „Feuerland“sah. Ein wichtiges Bekenntnis Stadlers: „Ich bin katholisch und werde es auch bleiben.“

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FOTO: HELMUT VOITH Freimütig spricht Arnold Stadler beim Literaturt­reff in Kressbronn über sein Schreiben.

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