Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Kunterbuntes Kapstadt
Die Häuser in dieser südafrikanischen Metropole sind zitronengelb, knallrot und giftgrün – Selbst Hotelfassaden leuchten in Babyrosa
Die Südafrikaner verehren Kapstadt als „Mother City“; vielleicht hat sie deshalb eine babyrosafarbene Attraktion, die man besuchen sollte: das Mount Nelson, Spitzname „Nellie“, ein 1899 eröffnetes Grandhotel mit Pink-Fassade – bis heute bewohnt vor allem von näselnden, wachshäutigen OxfordAristokraten und akkurat ondulierten Dauerwellen-Ladys. Jeden Nachmittag wird High Tea im Salon, auf der Terrasse und im Garten serviert. Hier residiert man quasi, unter schattenspendenden Weiden, eingerahmt von Oleander und Hortensien, Magnolien und Hibiskus. Nicht nur Hotelgäste, jeder Kapstadt-Besucher kann diese Teatime buchen. Was gibt es Schöneres, als sich von vornehmem Personal den Darjeeling oder Earl Grey Blue einschenken und dazu eine sterling-silberne Etagere mit Canapés reichen zu lassen? Fingerfood also? My Goodness! Ein so profaner Begriff käme hier niemandem über die Lippen für Gurken-Sandwiches, Spinat-Häppchen mit Lachs oder Moschus-Kürbis-Cakes. Tiefenentspannt federt man nach einer Stunde vorbei am plätschernden Springbrunnen zum Dessertbuffet, pickt einen Hertzoggie, die südafrikanische Kuchenspezialität mit EierAprikosenmarmelade, sowie Peppermint-Coconut-Ice – eine grünweisse, erfrischende Praline – heraus. Die Frage, warum das Mount Nelson komplett rosa ist, beantwortet der zum High Tea dezent spielende Pianist: Ein italienischer Nachkriegsbesitzer des Hotels wollte seine Gäste in der tristen Zeit mit diesem Anstrich aufheitern.
Holländischer Kräutergarten
Gegenüber der mächtigen Einfahrt des Mount Nelson wartet Kapstadts nächste Farbe: Grün. Der „Companys Garden“ist die dichtbewachsene, schattige Schlenderpassage in die City. Abseits von Hauptverkehrsadern wie der Long Street geht’s hier zunächst durch einen XXL-Kräutergarten – ein historischer Wink an die Anfänge dieses Areals: Jan van Riebeeck, einer der ersten niederländischen Siedler am Kap, ließ genau hier Gemüse und Obst anpflanzen, um seine Seeleute auf dem Weg nach Indien mit Vitaminen zu versorgen. Bis zum Parlamentsgebäude ziehen sich heute die immergrünen Gärten mit Liegewiesen und Spazierwegen, die sich nicht nur an exotischen Gewächsen mit scheinbar muskelstrotzendem Wurzelwerk vorbeiwinden, ANZEIGEN sondern auch am offiziell ältesten Bewohner Kapstadts, einem angeblich um 1652 gepflanzten Birnbaum.
Das Wahrzeichen der V&A-Waterfront ist rot– der Clocktower. Dieser historische Uhrentum sticht wie eine Landkartennadel hervor aus dem ab 1990 wieder prächtig herausgeputzten historischen Hafenareal von 1860 mit seinen zwei großen Becken, benannt nach Queen Victoria (für sie steht das V.) und ihrem Sohn Prinz Alfred (kurz: A.). Dazwischen bummelt man über Klapp- und Drehbrücken an einer Mini-Robbenstation, guten Restaurants sowie gehobenen afrikanischen Souvenirshops vorbei. Und steht plötzlich vorm heimlichen Wahrzeichen der V&AWaterfront – ebenfalls rot: Die „Ikamva Marimba Band“. Montags, mittwochs und freitags spielt sie am Café Alfredo einen so mitreißenden Afro-Pop, dass Touristen, Schulklassen und Polizisten stehen bleiben und begeistert mitsingen.
Gleich um die Ecke steht Kapstadts gelbe Attraktion: einer der „Yellow Frames“– metallene XXLBilderrahmen, jeweils mit dem echten Tafelberg drin – als imposante Hintergrundkulisse. Zweiter, sehr lohnenswerter Standort eines gelben Fotorahmens ist der 300 Meter hohe Signal Hill. Gut per Auto erreichbar bietet er ein Panorama Kapstadts und Sonnenuntergänge zum Niederknien, was viele Besucher auch tun – auf mitgebrachten Decken. Weitere „Yellow Frames“stehen in Big Bay an der Westküste und auf dem Lookout Hill in Khayelitsha.
Der Tafelberg liefert, je nach Wetterlage, mehrfach pro Woche den Deckweiß-Farbtupfer der Stadt: Meist spätnachmittags, wenn die Strahlkraft der Sonne nachlässt, ist das 1087 Meter hohe, mitten in der Stadt gelegene Felsmassiv plötzlich weiß eingehüllt. „Teufels Tischtuch“nennen Einheimische diese vom kräftigen Südwestwind auf den Tafelberg geblasene Wolken. Wer’s oben erleben will, sollte erstens schon vorher mit der Tafelberg-Gondelbahn hochfahren und zweitens warme Kleidung mitnehmen – unter Teufels Tischtuch sind Temperaturstürze von 15 Grad binnen Minuten durchaus üblich. Das Schauspiel auf dem Gipfel aber lohnt: Minutenlang eingehüllt in die weiße Wolke, gibt das Tischtuch dann wieder den Blick frei auf Kapstadt, auf seine Westküste mit Nobelvororten wie Camps Bay und Clifton sowie auf die Ostseite der Kaphalbinsel mit der sogenannten False Bay. Sie heißt so, weil holländische Seeleute sich hier einst am Ziel wähnten, dann aber merkten, dass sie in der falschen Bucht ankerten.
Braun ist in Kapstadt das beste und aufregendste afrikanische Restaurant: „Mama Africa“. Schon die reich verzierte, entfernt an alpenländische Lüftlmalerei erinnernde, braune Fassade ist ein Hingucker. Drinnen sitzt man unter einem bräunlichen Bambus-Gewölbe. Der Tresen ist eine mehr als zehn Meter lange, bunte Stein-Schlange, beleuchtet von einem aus Cola-Flaschen gestalteten Kronleuchter. Kuduoder Springbock-Steak, Straußenoder Krokodil-Kebab sind unschlagbar lecker – sofern man zum Essen kommt. Denn eine von „Mama Africas“drei Hausbands sorgt jeden Abend dafür, dass so ziemlich alle Gäste mit Messer und Gabel den treibenden Bongo-Rhythmus auf dem Tisch mittrommeln.
Farbenrausch in Bo Kaap
Nach so vielen kräftigen Farben mal ein Color-Flash in Pastell? Den bietet das Bo-Kaap-Viertel: Quietschbunte, zum Teil über 200 Jahre alte Häuser in strahlendem Lindgrün, BrombeerLila oder Cyanblau sind hier der Blickfang – einst gerettet vom Denkmalschutzamt während des Apartheid-Regimes, das dieses muslimisch geprägte, von Sklaven-Nachfahren bewohnte Viertel abreißen lassen wollte. Nach der Rettung renovierten Bewohner des Bo-KaapViertels ihre Häuser und strichen sie in leuchtenden Farben an, was immer mehr Touristen anlockt. Beste Fotoperspektiven bieten sich dank vorteilhaftem Sonnenlichteinfall in den Morgenstunden bis hin zum Mittag.
Nicht Tuschekasten-, sondern Spraydosenfarben prägen Woodstock. Das lange heruntergekommene Viertel östlich von Kapstadts City ist heute ein Pilgerort für Fans von Graffitis und Street Art. Sprayer, Tagger und Painter haben viele Mauern mit bis zu dachhohen Bildern gestaltet und Woodstock so zu einer gut besuchten Open Air Galerie gemacht. Am besten erkundet man das Viertel im Rahmen einer der geführten Touren – idealerweise am Samstag. Denn dann findet der sehenswerte Neighborgoods Market statt – rund um die Old Biscuit Mill, eine wieder hergerichtete Keksfabrik. Hier zeigen Designer, Köche und Bäcker, was sie können – und zwar wie es sich für Kapstadt gehört: bunt!
Weitere deutschsprachige Informationen auf der Seite von South African Tourism unter www.dein-suedafrika.de