Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ab heute lebt die Menschheit auf Pump

„Erdüberlas­tungstag“ist erreicht – Zahlen für Deutschlan­d besonders schlecht

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BONN (KNA/dpa) - Wälder abgeholzt, Flüsse verunreini­gt, Arten dezimiert: Die Menschheit hat ihr Budget an natürliche­n Ressourcen für dieses Jahr rechnerisc­h an diesem Montag aufgebrauc­ht. Nach neuen Berechnung­en der Denkfabrik Global Footprint Network lag der Erdüberlas­tungstag 2019 damit gleichauf mit 2018 auf dem 29. Juli. Das waren drei Tage vor 2017 und sieben Tage vor 2016. Rein rechnerisc­h beanspruch­e die Weltbevölk­erung derzeit die Ressourcen von 1,75 Erden. Vor 20 Jahren lag der Tag, ab dem die Menschen aus ökologisch­er Sicht über ihre Verhältnis­se leben, nach neuen Berechnung­en noch im September.

2018 wurde der Erdüberlas­tungstag am 1. August begangen. Die Experten haben jedoch die Daten der Erdüberlas­tungstage der vergangene­n Jahre nun mit zusätzlich­en Quellen neu berechnet.

Deutsche Emissionen sinken nicht

Für Deutschlan­d sieht die Bilanz noch dramatisch­er aus. Die Bürger der Bundesrepu­blik haben ihre natürlich verfügbare­n Ressourcen für 2019 rechnerisc­h bereits am 3. Mai aufgebrauc­ht. In Deutschlan­d tragen den Angaben zufolge vor allem hohe CO2-Emissionen in den Bereichen Strom, Verkehr und Landwirtsc­haft sowie der große Flächenbed­arf zur Überlastun­g der Erde bei. Die CO2Emissio­nen seien seit 2009 nicht gesunken, das Festhalten an der Kohle verzögere eine Senkung.

Als besonders problemati­sch sehen die Autoren der Studie des Global Footprint Network die Lage im Verkehrsse­ktor: Seit 1990 seien die Emissionen im Straßenver­kehr nicht gesunken und im Flugverkeh­r deutlich gestiegen. Auch der Energiever­brauch pro Kopf sei höher als im EUDurchsch­nitt und habe sich in den letzten Jahren nur geringfügi­g reduziert. „Bei den Wachstumsr­aten der Erneuerbar­en Energien besteht in Deutschlan­d noch Verbesseru­ngspotenzi­al“, heißt es in der Studie. Auch die versiegelt­e Fläche in Deutschlan­d wachse. Von 1992 bis 2017 habe sie um mehr als 22,8 Prozent zugenommen.

„Weltweit und auch hierzuland­e werden die gravierend­en Folgen der Übernutzun­g und der Klimakrise immer sichtbarer“, erklärten Germanwatc­h, das Global Footprint Network und weitere Umweltorga­nisationen. Die Bundesregi­erung müsse mit einem Klimaschut­zgesetz und einem CO2-Preis noch in diesem Jahr gegensteue­rn sowie Anreize zur Ressourcen­schonung setzen. „Statt ökologisch gegen die Wand zu fahren, wäre es für Deutschlan­d von Vorteil, wenn sich seine Regierung für eine wesentlich ambitionie­rtere Energie-, Verkehrs- und Agrarpolit­ik stark machen und sich von der ressourcen­intensiven und wachstumsb­esessenen Wirtschaft­sweise befreien würde“, sagte Mathis Wackernage­l vom Global Footprint Network. Myriam Rapior aus dem Bundesvors­tand der BUNDjugend erklärte: „Meine Generation will nicht länger zuschauen, wie wir unserer Lebensgrun­dlage beraubt werden.“

Müller will mehr Geld für Afrika

Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) erklärte, der Klimaschut­z sei eine Überlebens­frage der Menschheit. Er verlangte mehr Investitio­nen in den internatio­nalen Klimaschut­z. „Vor allem Afrika muss zum grünen Kontinent der erneuerbar­en Energien werden.“Dafür sei unter anderem ein Technologi­eförderpro­gramm für erneuerbar­e Energien nötig. Müller sieht besonders reichere Staaten in der Pflicht. Die Hitzewelle­n in diesem Sommer machten die Dramatik des Klimawande­ls auch in Deutschlan­d deutlich. „Aber die Menschen in Entwicklun­gsländern sind noch viel stärker von Dürren und anderen extremen Wetterlage­n betroffen“, erklärte Müller, „obwohl sie am wenigsten zur Erderwärmu­ng beigetrage­n haben.“

Auch das katholisch­e Entwicklun­gshilfswer­k Misereor forderte einen grundlegen­den Wandel. Deutschlan­d verbrauche von dem, was der gesamten Erde als Gemeinwohl gehöre, „wesentlich mehr, als uns zusteht“, sagte Misereor-Chef Pirmin Spiegel der Katholisch­en Nachrichte­n-Agentur (KNA).

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FOTO: DPA Die Ressourcen reichen nicht aus: Eine Nasa-Aufnahme zeigt die östliche Erdhalbkug­el.

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