Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Freundliche Töne aus Paris, Massenverhaftung in Moskau
Mehrere EU-Staaten nähern sich Putin an – Über tausend Demonstranten kommen in Russland in Gewahrsam
BERLIN - Aus dem Westen werden Signale der Entspannung in Richtung Russland gesendet. Am 19. August werde er den Kreml-Chef treffen, kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Sonntag an. Das Treffen werde in der Mittelmeerresidenz Fort Brégancon stattfinden. Dort verbringen Macron und seine Frau Brigitte ihren Sommerurlaub. Fünf Tage später beginnt im französischen Badeort Biarritz der G7-Gipfel. Wegen der Annexion der Krim darf Russland an dem Treffen der führenden Industrienationen nicht mehr teilnehmen. Macron hält es trotzdem für wichtig, bei wichtigen Fragen eine Zusammenarbeit mit Russland zu prüfen.
Unterdessen hat die EU die Massenverhaftungen in der russischen Hauptstadt scharf verurteilt. Bei Protesten in Moskau war die Polizei hart gegen Demonstranten vorgegangen und hatte mehr als 1000 von ihnen festgenommen. Rund um das Rathaus im Stadtzentrum hatten Beamte am Samstag Menschen abgeführt und in Busse gezerrt. Dem Bürgerrechtsportal OWD-Info zufolge gab es mehr als 1300 Festnahmen. Die Polizei sprach zuvor von 1074 Menschen, die bei der nicht genehmigten Kundgebung in Gewahrsam kamen.
Nach Angaben der Behörden waren rund 3500 Menschen zu der Demonstration gegen den Ausschluss wichtiger Oppositionskandidaten von der Regionalwahl in sechs Wochen gekommen. Die Polizei hatte zuvor Moskauer Bürger und Touristen eindringlich davor gewarnt, an dem Protest teilzunehmen, weil es keine Genehmigung gebe. Die Zahl der Festgenommenen war über Stunden fast minütlich gestiegen. Die meisten setzte die Polizei Stunden später wieder auf freien Fuß.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilte das Vorgehen der russischen Behörden. In der jüngeren Vergangenheit hatte es allerdings Signale der Entspannung zwischen Russland und den meisten anderen Staaten Europas gegeben. So bekam Russland Ende Juni sein Stimmrecht im Europarat zurück. Und beim „Petersburger Dialog“vor zwei Wochen kam es zwischen dem deutschen Außenminister Heiko Maas (SPD) und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zu vorsichtigen Annäherungen in der UkraineFrage.
Den aktuellen Vorstoß des französischen Präsidenten kommentierten weder die Parteien der Großen Koalition noch das Auswärtige Amt. Für die FDP äußerte ihr Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff, die Einladung an Putin sei „in Ordnung, wenn es einen offenen Dialog über gemeinsame Interessen, aber auch über unterschiedliche Werte gibt“. Die Verhaftungen in Moskau zeigten allerdings, „dass Russland von einer echten Demokratie Lichtjahre entfernt ist. Dennoch gibt es zum Beispiel in der Iran-Frage gemeinsame Interessen, bei denen das Gespräch mit Russland unentbehrlich ist.“
AfD-Chef Alexander Gauland hält die Einladung für „ganz normale Diplomatie“. Und die Vizefraktionschefin der Linken im Bundestag, Sevim Dagdelen, nennt Macrons Initiative „lange überfällig“. Die Bundesregierung „solle Macron hier unterstützen und sich endlich dafür starkmachen, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren.“