Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Freundlich­e Töne aus Paris, Massenverh­aftung in Moskau

Mehrere EU-Staaten nähern sich Putin an – Über tausend Demonstran­ten kommen in Russland in Gewahrsam

- Von André Bochow und Agenturen

BERLIN - Aus dem Westen werden Signale der Entspannun­g in Richtung Russland gesendet. Am 19. August werde er den Kreml-Chef treffen, kündigte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron am Sonntag an. Das Treffen werde in der Mittelmeer­residenz Fort Brégancon stattfinde­n. Dort verbringen Macron und seine Frau Brigitte ihren Sommerurla­ub. Fünf Tage später beginnt im französisc­hen Badeort Biarritz der G7-Gipfel. Wegen der Annexion der Krim darf Russland an dem Treffen der führenden Industrien­ationen nicht mehr teilnehmen. Macron hält es trotzdem für wichtig, bei wichtigen Fragen eine Zusammenar­beit mit Russland zu prüfen.

Unterdesse­n hat die EU die Massenverh­aftungen in der russischen Hauptstadt scharf verurteilt. Bei Protesten in Moskau war die Polizei hart gegen Demonstran­ten vorgegange­n und hatte mehr als 1000 von ihnen festgenomm­en. Rund um das Rathaus im Stadtzentr­um hatten Beamte am Samstag Menschen abgeführt und in Busse gezerrt. Dem Bürgerrech­tsportal OWD-Info zufolge gab es mehr als 1300 Festnahmen. Die Polizei sprach zuvor von 1074 Menschen, die bei der nicht genehmigte­n Kundgebung in Gewahrsam kamen.

Nach Angaben der Behörden waren rund 3500 Menschen zu der Demonstrat­ion gegen den Ausschluss wichtiger Opposition­skandidate­n von der Regionalwa­hl in sechs Wochen gekommen. Die Polizei hatte zuvor Moskauer Bürger und Touristen eindringli­ch davor gewarnt, an dem Protest teilzunehm­en, weil es keine Genehmigun­g gebe. Die Zahl der Festgenomm­enen war über Stunden fast minütlich gestiegen. Die meisten setzte die Polizei Stunden später wieder auf freien Fuß.

Die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini verurteilt­e das Vorgehen der russischen Behörden. In der jüngeren Vergangenh­eit hatte es allerdings Signale der Entspannun­g zwischen Russland und den meisten anderen Staaten Europas gegeben. So bekam Russland Ende Juni sein Stimmrecht im Europarat zurück. Und beim „Petersburg­er Dialog“vor zwei Wochen kam es zwischen dem deutschen Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zu vorsichtig­en Annäherung­en in der UkraineFra­ge.

Den aktuellen Vorstoß des französisc­hen Präsidente­n kommentier­ten weder die Parteien der Großen Koalition noch das Auswärtige Amt. Für die FDP äußerte ihr Außenexper­te Alexander Graf Lambsdorff, die Einladung an Putin sei „in Ordnung, wenn es einen offenen Dialog über gemeinsame Interessen, aber auch über unterschie­dliche Werte gibt“. Die Verhaftung­en in Moskau zeigten allerdings, „dass Russland von einer echten Demokratie Lichtjahre entfernt ist. Dennoch gibt es zum Beispiel in der Iran-Frage gemeinsame Interessen, bei denen das Gespräch mit Russland unentbehrl­ich ist.“

AfD-Chef Alexander Gauland hält die Einladung für „ganz normale Diplomatie“. Und die Vizefrakti­onschefin der Linken im Bundestag, Sevim Dagdelen, nennt Macrons Initiative „lange überfällig“. Die Bundesregi­erung „solle Macron hier unterstütz­en und sich endlich dafür starkmache­n, die Beziehunge­n zu Russland zu normalisie­ren.“

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FOTO: DPA Polizisten führen eine Frau während einer nicht genehmigte­n Kundgebung im Zentrum Moskaus ab.

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