Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die EU braucht im Iran-Konflikt mehr Rückgrat
Das Krisentreffen im prächtigen Wiener Palais Coburg hatte am Sonntag noch nicht angefangen, da gab es schon Ärger. Allen Beteiligten war ohnehin klar, dass die Beratungen von Iranern, Europäern, Russen und Chinesen über die Zukunft des Atomabkommens von 2015 schwierig werden würden. Doch noch bevor die Delegationen am Konferenztisch Platz genommen hatten, machte Iran seinem Unmut Luft. In Teheran schimpfte die Regierung der Islamischen Republik, der Plan der Europäer für den Einsatz von Kriegsschiffen zum Geleitschutz für Öltanker im Persischen Golf sei eine „feindselige Botschaft“.
Trotzdem äußerten sich die Unterhändler nach rund zweistündigen Gesprächen im Palais am Nachmittag vorsichtig positiv – angesichts der
spannungsgeladenen Ausgangslage war das schon ein kleiner Erfolg. Konkrete Beschlüsse wurden in Wien allerdings nicht gefasst. Ob der Atomvertrag die derzeitigen Spannungen überleben wird, ist unsicher.
Wenn die Europäer im Konflikt zwischen Iran und den USA glaubhafte Vermittler sein wollen, dann müssen sie beiden Seiten gegenüber selbstbewusster auftreten. Sie dürfen es Iran nicht durchgehen lassen, dass das Land Öltanker im Persischen Golf beschlagnahmt – die geplante Begleitung der Tanker durch europäische Kriegsschiffe ist daher ein wichtiges Signal. Aber auch gegenüber den USA muss Europa mehr Mut haben.
Die EU-Länder haben allen Grund, sich für eine Entschärfung des Konflikts einzusetzen. Steigende Ölpreise als Folge einer militärischen Auseinandersetzung am Golf könnten die Konjunktur abwürgen. Und dass die EU – anders als die USA – schnell zum Ziel von Kriegsflüchtlingen aus dem Nahen Osten werden kann, erleben die Mitgliedsländer schon jetzt.
Eine undankbare Aufgabe
Die Vermittler haben eine undankbare Aufgabe. In Washington droht USPräsident Donald Trump mit immer neuen Sanktionen. Iran verärgert die Europäer mit Verstößen gegen das Abkommen und Angriffen auf Öltanker. Und das, obwohl Teheran die EU braucht, wenn der Iran-Deal nach dem Ausstieg der USA überhaupt noch eine Chance haben soll.
Da helfen nur Kaltblütigkeit, die beharrliche Suche nach Kompromissmöglichkeiten – und Rückgrat. Wenn europäische Schiffe in internationalen Gewässern nicht mehr sicher sind, müssen sie geschützt werden. Auch Deutschland als größte Volkswirtschaft des Kontinents sollte sich an einer solchen Mission beteiligen – das fordert auch Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz.
Genauso wichtig ist es, dass sich die Europäer nicht zu Erfüllungsgehilfen einer amerikanischen Iran-Politik machen lassen: Europa will Iran durch Verträge und Verhandlungen einbinden – Trump will seine Kapitulation.
Deshalb sollte Europa den Zahlungsmechanismus Instex ausbauen, um den Handel mit Iran vor den USSanktionen zu schützen. Auch sollten die europäischen Unterhändler dem „Dealmaker“Trump klarmachen, dass er die Iraner nicht an den Verhandlungstisch prügeln kann.
Deutschland, Frankreich und Großbritannien können den Streithähnen in Teheran und Washington lediglich eine Einigung erleichtern. Das geht nur, wenn sie sich von keiner Seite herumschubsen lassen.