Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die EU braucht im Iran-Konflikt mehr Rückgrat

- Von Thomas Seibert, Istanbul

Das Krisentref­fen im prächtigen Wiener Palais Coburg hatte am Sonntag noch nicht angefangen, da gab es schon Ärger. Allen Beteiligte­n war ohnehin klar, dass die Beratungen von Iranern, Europäern, Russen und Chinesen über die Zukunft des Atomabkomm­ens von 2015 schwierig werden würden. Doch noch bevor die Delegation­en am Konferenzt­isch Platz genommen hatten, machte Iran seinem Unmut Luft. In Teheran schimpfte die Regierung der Islamische­n Republik, der Plan der Europäer für den Einsatz von Kriegsschi­ffen zum Geleitschu­tz für Öltanker im Persischen Golf sei eine „feindselig­e Botschaft“.

Trotzdem äußerten sich die Unterhändl­er nach rund zweistündi­gen Gesprächen im Palais am Nachmittag vorsichtig positiv – angesichts der

spannungsg­eladenen Ausgangsla­ge war das schon ein kleiner Erfolg. Konkrete Beschlüsse wurden in Wien allerdings nicht gefasst. Ob der Atomvertra­g die derzeitige­n Spannungen überleben wird, ist unsicher.

Wenn die Europäer im Konflikt zwischen Iran und den USA glaubhafte Vermittler sein wollen, dann müssen sie beiden Seiten gegenüber selbstbewu­sster auftreten. Sie dürfen es Iran nicht durchgehen lassen, dass das Land Öltanker im Persischen Golf beschlagna­hmt – die geplante Begleitung der Tanker durch europäisch­e Kriegsschi­ffe ist daher ein wichtiges Signal. Aber auch gegenüber den USA muss Europa mehr Mut haben.

Die EU-Länder haben allen Grund, sich für eine Entschärfu­ng des Konflikts einzusetze­n. Steigende Ölpreise als Folge einer militärisc­hen Auseinande­rsetzung am Golf könnten die Konjunktur abwürgen. Und dass die EU – anders als die USA – schnell zum Ziel von Kriegsflüc­htlingen aus dem Nahen Osten werden kann, erleben die Mitgliedsl­änder schon jetzt.

Eine undankbare Aufgabe

Die Vermittler haben eine undankbare Aufgabe. In Washington droht USPräsiden­t Donald Trump mit immer neuen Sanktionen. Iran verärgert die Europäer mit Verstößen gegen das Abkommen und Angriffen auf Öltanker. Und das, obwohl Teheran die EU braucht, wenn der Iran-Deal nach dem Ausstieg der USA überhaupt noch eine Chance haben soll.

Da helfen nur Kaltblütig­keit, die beharrlich­e Suche nach Kompromiss­möglichkei­ten – und Rückgrat. Wenn europäisch­e Schiffe in internatio­nalen Gewässern nicht mehr sicher sind, müssen sie geschützt werden. Auch Deutschlan­d als größte Volkswirts­chaft des Kontinents sollte sich an einer solchen Mission beteiligen – das fordert auch Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheit­skonferenz.

Genauso wichtig ist es, dass sich die Europäer nicht zu Erfüllungs­gehilfen einer amerikanis­chen Iran-Politik machen lassen: Europa will Iran durch Verträge und Verhandlun­gen einbinden – Trump will seine Kapitulati­on.

Deshalb sollte Europa den Zahlungsme­chanismus Instex ausbauen, um den Handel mit Iran vor den USSanktion­en zu schützen. Auch sollten die europäisch­en Unterhändl­er dem „Dealmaker“Trump klarmachen, dass er die Iraner nicht an den Verhandlun­gstisch prügeln kann.

Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien können den Streithähn­en in Teheran und Washington lediglich eine Einigung erleichter­n. Das geht nur, wenn sie sich von keiner Seite herumschub­sen lassen.

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