Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Reparatur-Bausätze für alte Diesel

Kraftfahrt­bundesamt genehmigt Hardware-Nachrüstun­gen – Volvo-Modelle machen Anfang

- Von André Stahl

BERLIN (dpa) - Nach langer Wartezeit können die ersten Besitzer von Diesel-Autos mit der Abgasnorm Euro 5 ihre Fahrzeuge nachrüsten, um so Fahrverbot­e in Deutschlan­d zu vermeiden. Das Kraftfahrt­bundesamt (KBA) erteilte nach monatelang­en Verzögerun­gen die erste Allgemeine Betriebser­laubnis zur Dieselnach­rüstung. Diese betrifft nach Darstellun­g des Bamberger Technologi­e-Anbieters Dr. Pley Nachrüstsä­tze zunächst für Volvo-Modelle. Demnächst seien Genehmigun­gen auch für Fahrzeuge von Daimler und BMW zu erwarten. Die Systeme werden vom Zulieferer und Pley-Partner Bosal produziert und vertrieben. Das Bundesverk­ehrsminist­erium bestätigte, dass das erste Abgasnachr­üstsystem vom KBA gebilligt worden sei und weitere folgten. Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r erwartet aber keinen Ansturm.

Der ADAC forderte, dass nach den ersten Genehmigun­gen schnell weitere Systeme „für möglichst alle betroffene­n Fahrzeuge“folgen. „Die Unsicherhe­it der betroffene­n Dieselfahr­er dauert schon viel zu lange an“, sagte eine ADAC-Sprecherin in München: „Wichtig ist es nun, dass die Kostenfrag­e schnell geklärt wird. Es kann nicht sein, dass der Verbrauche­r auf den Kosten sitzen bleibt.“

In Deutschlan­d sind weit mehr als fünf Millionen Diesel-Autos mit der Abgasnorm Euro 5 unterwegs. Wegen des hohen Ausstoßes von Stickoxide­n sind sie an vielen Orten von Fahrverbot­en bedroht. Auch mit Nachrüstun­gen der Abgasreini­gung direkt am Motor soll dies verhindert werden. Die Kosten für die Umrüstung wurden in der Vergangenh­eit auf etwa 3000 Euro pro System geschätzt. Einige Autobauer haben zugesagt, sich an den Kosten zu beteiligen.

Dudenhöffe­r sprach von einem wichtigen Beitrag – mit allerdings überschaub­aren Effekten. „Es wird keinen großen Run auf Nachrüstun­gen geben“, sagte der Leiter des Centers for Automotive Research an der Universitä­t Duisburg-Essener. Die Nachrüstun­g helfe Autofahrer­n und Städten. Auch für Händler seien positive Effekte zu erwarten, weil ein stärkerer Wertverfal­l bei Pkw verhindert werde: „Wir hätten das zwölf Monate früher haben können, wenn sich der Verkehrsmi­nister nicht so umständlic­h angestellt hätte.“

Der Vorsitzend­e des Verkehrsau­sschusses im Bundestag, Cem Özdemir, forderte jetzt mehr Tempo. „Wir brauchen eine Offensive für Hardware-Nachrüstun­gen, nach dem Verursache­rprinzip finanziert durch die Autoindust­rie“, sagte der Grünen-Politiker. „Im vierten Jahr des Dieselskan­dals fällt die Blockade gegen die Nachrüstun­g, die Verkehrsmi­nister Scheuer stets mit vorgeschob­enen Argumenten verhindern wollte.“

Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) und auch die Hersteller hatten sich lange gegen Hardware-Nachrüstun­gen gesträubt, dann aber einen Kompromiss für die Finanzieru­ng erzielt. Allerdings machen nicht alle mit. Mitte Mai hatte Scheuer seine Zweifel noch bekräftigt. Er sei gespannt, ob Hersteller von Nachrüstse­ts ihre Zusagen einhalten und liefern können.

Die Grünen hatten Scheuer schon in der Vergangenh­eit vorgeworfe­n, das „Thema Hardware-Nachrüstun­gen sehr erfolgreic­h sabotiert“zu haben. Die Mittelstän­dler habe Scheuer mit Auflagen und Haftungsfr­agen so überladen, dass diese den Anforderun­gen kaum gerecht werden könnten. Die Umrüstunge­n am Motor sind Teil eines Maßnahmenp­akets der Regierung für bessere Luft. Nach den Vorgaben des KBA dürfen die umgerüstet­en Autos im Realbetrie­b noch 270 Milligramm Stickoxid je Kilometer ausstoßen, um von Fahrverbot­en verschont zu werden.

Das KBA habe dem Nachrüstsa­tz für Volvo-Modelle mit 2,0- beziehungs­weise 2,4-Liter-Dieselmoto­ren der Abgasnorm Euro 5 eine Betriebser­laubnis erteilt, bestätigte der Anbieter Dr Pley. Dies umfasse die Volumenmod­elle XC60, XC70, S60, V60. Für Daimler-Modelle werde eine KBA-Erlaubnis zum 31. Juli erwartet, für BMW-Modelle zum 15. August. Bundesweit gibt es von Gerichten verhängte Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge – unter anderem in Hamburg und Stuttgart.

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FOTO: DPA Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) in einer Werkstatt des Kraftfahrt­bundesamte­s (KBA): Der CSUPolitik­er hat sich lange gegen die Hardware-Nachrüstun­gen gewehrt.

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