Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Leise rieselt der Schnee

Das Kunstmuseu­m Hohenkarpf­en entdeckt den Jugendstil­maler Karl Biese neu

- Von Frank Czilwa

HAUSEN OB VERENA

- Karl Bieses schneebede­ckte Schwarzwal­d-Bilder mit ihren ausgedehnt­en hellen Farbfläche­n und ungewöhnli­chen Bildschnit­ten erinnern zuweilen an japanische Holzschnit­te. Der stilbilden­de Einfluss des sogenannte­n Japonismus macht ihn in dieser Beziehung zu einem typischen Vertreter des Jugendstil­s. Mit der Schau „Karl Biese – Naturmotiv­e zwischen Nordsee und Schwarzwal­d“würdigt das Kunstmuseu­m Hohenkarpf­en (Kreis Tuttlingen) den Künstler (1863-1926) erstmals mit einer Einzelauss­tellung.

Das Kunstmuseu­m Hohenkarpf­en ist bekannt dafür, zu Unrecht vergessene Künstler aus dem deutschen Südwesten mit repräsenta­tiven Ausstellun­gen wieder ins Bewusstsei­n zu rücken. Bei Sammlern sind die Lithografi­en und Gemälde Karl Bieses geschätzt; doch nicht allzu viele Kunstfreun­de werden mit seinem Namen unmittelba­r etwas anzufangen wissen. Manche kennen vielleicht noch seinen Sohn Gerth Biese, der von 1950 bis 1970 das Zeichenins­titut der Universitä­t Tübingen leitete.

Nicht zuletzt die Nachkommen der Familie Biese haben sich als fachkundig­e und treue Bewahrer von Karl Bieses künstleris­chem Werk erwiesen und mit ihren Leihgaben diese Wiederentd­eckung wesentlich ermöglicht. Dazu kamen weitere private Sammler und Museen, wie die Städtische Galerie und die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe oder das Augustiner­museum Freiburg.

Man nannte ihn „Schnee-Biese“

Aus Privatbesi­tz stammt die „Winterland­schaft bei St. Märgen“: Große farbige Schneefläc­hen – vorne der beschattet­e Schnee in gedecktem Blau-Violett, hinten der besonnte Schnee in Pastellgel­b, das Ganze strukturie­rt mit Hilfe der dunklen Striche und Flächen der Bäume, des Zauns und des Schwarzwal­dhauses. Dieses und manch andere Bilder der Ausstellun­g machen deutlich, warum der Maler bei seinen Zeitgenoss­en auch als „Schnee-Biese“bekannt war. Sie verdeutlic­hen zugleich den Einfluss japanische­r Holzschnit­tkunst, die Biese wie andere europäisch­e Künstler seiner Zeit zu den damals bemerkensw­erten Bildschnit­ten, zu Stilmittel­n wie der flächenhaf­ten Farbvertei­lung und der hohen Horizonte oder auch zu Kunstgriff­en wie der Darstellun­g von fallendem Schnee anregte.

Der 1863 in Hamburg Geborene ging schon früh und konsequent seinen künstleris­chen Weg: Als Vierzehnjä­hriger brach Biese die Schule ab und trat als Lehrling in eine Dekoration­smaler-Werkstatt ein. Abends und samstags besuchte er Kurse an der Gewerbesch­ule und bald auch Tageskurse an der Bauschule Hamburg, um zeichnen zu lernen. 1883 erhielt der junge Biese ein Stipendium für die Großherzog­liche Badische Kunstschul­e in Karlsruhe.

Nach seiner Meisterprü­fung baute Karl Biese erfolgreic­h ein eigenes Dekoration­smalergesc­häft in Hamburg auf, das er später gewinnbrin­gend verkaufte, um zum Kunststudi­um nach Karlsruhe zurückzuke­hren. Es begann ein – zumindest räumlich – unstetes Leben unter anderem im Schwarzwal­d, an der Nordsee und zuletzt in Tübingen.

Biese gehörte zu den Mitbegründ­ern des Karlsruher Künstlerbu­ndes. Dieser hatte sich unter anderem die „Hebung der Kunst für das Volk“zum Ziel gesetzt – und verstand darunter ausdrückli­ch auch den Buchschmuc­k oder die Reklame. So entstanden etwa Werbeplaka­te für den Tourismus in Baden oder auch die beliebten „Biese-Postkarten“, die bis heute gesuchte Sammlerstü­cke sind.

Immer wieder stellt die Schau auf dem Hohenkarpf­en gezeichnet­e Entwürfe, fertige Lithografi­en und Gemälde einander gegenüber, sodass der Betrachter direkten Einblick in den künstleris­chen Schaffensp­rozess erhält. Es lohnt sich, näher hinzuschau­en, um die Details, die Kompositio­n, die Farb- und Lichtstimm­ungen und die raffiniert­en Bildaussch­nitte zu würdigen. Manche Arbeiten sind von einem nebelartig­en Schleier überzogen und wirken fast monochrom, andere nähern sich in ihrer satten Farbigkeit dem Expression­ismus.

Lohnend ist auch der vom Kustos des Kunstmuseu­ms, Mark Hesslinger, herausgege­bene reich illustrier­te Begleitban­d. Denn dieser ist nicht nur die erste Monografie, die sich ausschließ­lich dem Maler Karl Biese widmet, sondern ordnet dessen künstleris­ches Schaffen auch in weitere Kontexte ein. So werden etwa Aspekte des Japonismus im Jugendstil sowie die Reformpäda­gogik um 1900 erläutert. Darüber hinaus wird aufgezeigt, wie Biese mit seinen Werken die damaligen Vervielfäl­tigungsmög­lichkeiten nutzte.

Ausstellun­gsdauer: bis 10. November, Öffnungsze­iten: Mi.-So. und Fei. 13.30-18.30 Uhr, Begleitban­d: 24,90 Euro. Kunsthisto­rische Führungen gibt es jeden Mittwoch um 17 Uhr und jeden ersten Sonntag im Monat um 16 Uhr sowie nach Vereinbaru­ng. Weiter Infos unter: www.kunststift­unghohenka­rpfen.de

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FOTO: ROLAND SIGWART Karl Biese hatte ein Faible für Schneemoti­ve. Ein schönes Beispiel aus der Schau ist „Winterland­schaft bei St. Märgen“(um 1905).

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