Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Vogelparadies Rheindelta
Die „Bird Watcher“haben meist nur ein paar Augenblicke, um seltene Tiere zu beobachten
Jetzt zwitschert und pfeift es überall, egal ob in der Stadt oder auf dem Land – mit Sonnenaufgang erklingt ein Konzert in unterschiedlichen Stimmlagen. „Der Hausrotschwanz ist der erste Sänger am Morgen“, erklärt Biologin Johanna Kronberg auf dem Rundgang ums Schleienloch im Naturschutzgebiet entlang des Rheins. Die Region von Hard bei Bregenz bis zur Schweizer Grenze ist ein Natura 2000-Gebiet und schützt gefährdete wildlebende Pflanzen- und Tierarten.
„Weit über 300 Vogelarten nutzen die Flachwasserbereiche und Schlickflächen hier im österreichischen Vorarlberg zum Rasten und zur Nahrungsaufnahme“, sagt die Vogelliebhaberin, die sich seit ihrem Studium für die gefiederten Tiere begeistert. Im Rheindelta kann man das ganze Jahr über Vögel beobachten. Im Moment ist der Blick auf das Schilf gerichtet, das sich sanft im Wind bewegt. Dann schweift er weiter zu dem abgestorbenen Baum, der seine toten Äste aus dem Wasser streckt – im Ohr ein berauschendes Konzert: Lachmöwen kreischen, das Blässhuhn stößt kurze, fast kieksende Laute aus und irgendwo gurren ein paar Tauben. Johanna Kronberg trägt ihr Spektiv über der Schulter. Sobald sich etwas bewegt, blickt sie aber zuerst durchs Fernglas. Jetzt zeigt sie auf zwei Haubentaucher.
Parallelen zu den Menschen
Ein paar Handgriffe später, steht das Beobachtungsfernrohr und die Wasservögel sind zum Greifen nahe. Das Haubentaucher-Männchen trägt in der Balzzeit sein Prachtkleid, mit den verlängerten Kopf- und Nackenfedern. Gerade sind sie leicht aufgerichtet. Zum Balzen gehören heftiges Kopfschütteln mit gespreizter Federhaube und die sogenannte Pinguinpose, bei denen sich die Vögel durch rasches Paddeln der Füße fast senkrecht aus dem Wasser heben. „Die Tiere synchronisieren sich. Sie passen sich den Bewegungen des Partners an“, erklärt die Vogelkundlerin während ein Teilnehmer nach dem anderen durch die Linse schaut. Das Phänomen des Synchronisierens könne man auch bei Menschen beobachten, die sich sympathisch sind.
Nicht weit entfernt vom Liebespaar schwimmt ein Blässhuhn. Es ist kleiner als die Haubentaucher und schwarz, bis auf eine kleine, weiße Stelle am Kopf. „Die weiblichen und männlichen Tiere bei den Blässhühnern kann man optisch nicht unterscheiden“, weiß die Vogelexpertin. Das Blässhuhn-Männchen beeindruckt das Weibchen nicht mit bunten Federn, sondern mit Hilfsbereitschaft. „Er bleibt während der Brutzeit beim Weibchen. Der Haubentaucher-Mann macht sich nach der Eiablage aus dem Staub.“
Die Ornithologin zieht ein Buch aus dem Rucksack und zeigt Abbildungen der Vögel. Bevor es weiter auf dem Damm geht, entlang des begradigten Rheins. Ein Baggerschiff ankert in der Mitte des Flusses, der nach den Plänen von Alois Negrelli einst reguliert wurde. Der österreichische Ingenieur plante auch den Suezkanal. Seit der Begradigung des Stroms wird zu viel Geröll in den Bodensee geschwemmt. „Mit dem Projekt RESI für Rhein, Erholung und Sicherheit, soll auch der Flussverlauf im Rheintal renaturiert werden“, erzählt Kronberg. Wenn der Strom wieder mäandert, also in Schlingen verläuft, bleibt wieder viel Gestein auf der Strecke liegen. Vor den ausgebaggerten Kieshaufen, die entlang des Damms aufgeschüttet sind, biegt sie rechts weg: „Wir bleiben am Schleienloch.“Aufgeregt zeigt sie aufs Wasser: „Das ist ein Zwergtaucher, der kleinste Vogel der Lappentaucher, zu denen auch die Haubentaucher gehören.“Bevor der Erste durchs Objektiv geschaut hat, ist der Kleine abgetaucht. Geduldig sucht die Vogelkundlerin die Wasseroberfläche ab, bis sie den Zwerg mit dem rotbraunen Hals wiederentdeckt. Obwohl die Zwergtaucher in Europa häufiger vorkommen, werden sie wegen ihrer versteckten Lebensweise meist übersehen.
Fischadler auf Durchreise
Kaum hat sich die Gruppe wieder in Bewegung gesetzt, hat Johanna Kronberg bereits wieder ihr Fernglas in der Hand und freut sich: „Da ist ein Fischadler.“Der Vogel mit dem weißen Kopf ist nur auf der Durchreise und frisst sich hier ein paar Tage lang satt. Die Vogelbeobachtung ist unberechenbar und zufällig. Gerade staunt man noch über die Spannweite des Greifvogels und ein paar Flügelschläge später ist er schon wieder verschwunden. „Man weiß nie, was man sieht. Das macht das ‚Bird Watching‘ so spannend“, erklärt die Vogelbeobachterin.
Wieder ertönt die tiefe Stimme einer Taube. „Hat sie fünfmal gegurrt?“, fragt die Vogelliebhaberin. „Dann ist es eine Ringeltaube.“Sie zieht ein weiteres Buch und ein kleines, stabförmiges Gerät aus ihrem Rucksack. „Damit kann ich Vogelstimmen abspielen.“Es gurrt fünfmal aus dem Lautsprecher, wie eben bei der Ringeltaube. „Manchmal imitiere ich die Laute von Vögeln auch selber“, lacht sie. „Antworten bekomme ich selten.“
Gefällte Baumstämme säumen den Pfad, abgenagt von der Biberfamilie, die ebenfalls hier wohnt. Bevor Kronberg mehr über die Nager erzählen kann, erspäht sie wieder einen Vogel. „Das ist ein Rotkelchen. Gerade ziehen Blaukelchen bei uns durch, die sind aber sehr selten zu sehen.“Der kleine Vogel mit der orangeroten Brust und Kehle verharrt für ein paar kurze Augenblicke, dann ist er weg. Vom Band verfolgt ihn sein ticksender und schnicksender Ruf.
Mit der App „BirdsClub“kann man jederzeit auf Birdwatching Tour gehen. Die App kennt die besten Beobachtungsplätze, hat Soundfiles der Vogelstimmen und zahlreiche Fotos. https://hotelamsee.biz/birds-club/ Gruppenführungen buchbar unter
Tel. 0043/5574/63000 und per E-Mail: info@hotelamsee.biz Weitere Informationen unter www.bodensee-vorarlberg.com und www.bregenzerwald.at