Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Not der Sparer vergrößert sich weiter

Ungute Signale: Die Wirtschaft beginnt zu schwächeln, Zinsen wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben – Was Anleger tun können

- Von Falk Zielke

FRANKFURT (dpa) - Massenentl­assungen, Gewinnwarn­ungen, nachlassen­de Nachfrage – die Aussichten für die Konjunktur trüben sich ein. Die meisten Wachstumsp­rognosen dürften sich deshalb inzwischen als zu optimistis­ch erweisen. Hoffnungen auf eine Zinswende braucht sich daher eigentlich niemand mehr machen. Im Gegenteil: Die Europäisch­e Zentralban­k steuert angesichts der Lage auf eine weitere Lockerung ihrer Geldpoliti­k zu.

Für Verbrauche­r hierzuland­e sind das keine guten Nachrichte­n. Zwar sind die Deutschen eifrige Sparer. Von ihrem geliebten Sparbuch wollen die meisten Bundesbürg­er aber nicht lassen: Wie die jährliche Statistik der Bundesbank zeigt, steckten allein bis Ende Dezember 2018 rund 2456 Milliarden Euro in Bankeinlag­en oder wurden als Bargeld aufbewahrt. Und das, obwohl Banken und Sparkassen dafür nur spärliche Zinsen bieten.

Die Folge: Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres erlitten Sparer 15,9 Milliarden Euro an Wertverlus­t, wie Berechnung­en der Comdirect Bank zeigen. Der Grund sind Sparzinsen, die deutlich unter der Inflations­rate liegen. Im zweiten Quartal des Jahres betrug der durchschni­ttliche Einlagenzi­ns gerade einmal 0,16 Prozent. Die Inflation lag im selben Zeitraum bei 1,71 Prozent. Daraus ergibt sich ein Realzins von minus 1,55 Prozent. Die Folge: Das Geld der Sparer verliert an Wert.

Für Niels Nauhauser ist das aber keine vollkommen neue Situation. „Das Dilemma, dass Sparguthab­en durch Inflation an Wert verliert, ist heute nur sichtbarer“, sagt der Finanzexpe­rte der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. In der Vergangenh­eit habe es zwar Phasen mit höheren Sparzinsen gegeben. Allerdings sei zeitweise auch die Inflations­rate höher gewesen. „Sparer schauen immer nur auf den Nominalzin­s, nicht den Realzins.“

Doch was tun? Auf das Sparen verzichten? „Sparen bei null Prozent Zinsen ist immer noch besser, als gar nicht zu sparen“, findet Max Herbst von der FMH Finanzbera­tung in Frankfurt am Main. „Wer jeden Monat 100 Euro beiseitele­gt, hat nach einem Jahr immerhin 1200 Euro gespart.“

Sparer, die jederzeit über ihr Geld verfügen wollen, können dafür ein Tagesgeldk­onto wählen. Eine nennenswer­te Rendite gibt es aber kaum. Die Stiftung Warentest listet in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrif­t „Finanztest“(8/2019) 20 Angebote auf. Die Zinssätze variieren zwischen 0,25 Prozent und 0,65 Prozent.

Laut FMH gibt es zwar derzeit auch Anbieter, die 1,00 Prozent Zinsen zahlen. Allerdings sind die Zinssätze nur für vier oder sechs Monate garantiert. Häufige Wechsel beim Tagesgeld zahlen sich für Anleger nach Ansicht von Max Herbst nicht aus. „Sie müssen sich selbst die Frage beantworte­n, wie viel Aufwand Sie für einen Unterschie­d von 0,5 Prozent Zinsen betreiben wollen.“

Etwas mehr bekommen Sparer bei Festgeldan­lagen. Je nach Anlagezeit­raum sind hier nach Angaben der Stiftung Warentest bis zu 1,5 Prozent Zinsen möglich. Laut FMH gibt es manche Anbieter, die für ein fünfjährig­es Festgeld sogar bis zu 2,00 Prozent Zinsen zahlen. Allerdings ist das Geld dann für den Zeitraum auch gebunden. Noch mehr können Sparer für sich rausholen, wenn sie Kunde bei einem Zinsportal wie Savedo, Weltsparen oder Zinspilot werden. Die Portale bieten die Sparproduk­te mehrerer Banken auch aus dem Ausland an, zum Teil mit guten Zinsen. Aus Sicht der Stiftung Warentest sind aber dennoch nicht alle Angebote empfehlens­wert.

Der Grund ist die Einlagensi­cherung. Zwar gibt es in Europa laut einer EU-Richtlinie nach einer Insolvenz 100 000 Euro Entschädig­ung pro Kunde und Bank. In manchen Ländern steckt aber möglicherw­eise zu wenig Geld in den entspreche­nden Sicherungs­töpfen. Anleger müssten im Ernstfall entweder lange auf ihr Geld warten oder es im schlimmste­n Fall sogar ganz abschreibe­n.

Wer langfristi­g etwas für sein Vermögen tun möchte, muss bereit sein, etwas mehr Risiko einzugehen. Die Renditeaus­sichten verbessern sich, wenn Tages- oder Festgeld mit einem Aktien-ETF kombiniert wird. Nach einer Studie der Bundesbank stieg zwischen 2014 und 2017 der Wert von Aktien, die Haushalte direkt hielten, um etwa 5000 Euro beziehungs­weise 13 Prozent.

Stellt sich die Frage: Sind AktienETFs angesichts der trüben Konjunktur­aussichten jetzt sinnvoll? „Wie sich die Kurse in naher Zukunft entwickeln werden, lässt sich nicht vorhersage­n“, erklärt Nauhauser. Grundsätzl­ich aber gilt: Je länger der Anlagezeit­raum ist, desto geringer ist das Verlustris­iko.

Das belegen auch Berechnung­en des Deutschen Aktieninst­ituts: So konnte man beispielsw­eise allein mit einer Investitio­n in den Deutschen Aktieninde­x Dax bei einem Anlagezeit­raum von 20 Jahren eine durchschni­ttliche Rendite von 8,9 Prozent im Jahr auf das angelegte Geld erwirtscha­ften. Im schlechtes­ten Fall lag die jährliche Rendite bei 3,8 Prozent, im besten bei 15,2 Prozent.

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FOTO: DPA Zinsabrech­nungen der Sparkassen: Hoffnungen auf eine Zinswende brauchen sich Sparer nicht machen. Im Gegenteil: Möglicherw­eise reichen Banken die Minuszinse­n bald auch an Privatanle­ger weiter.

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