Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Emotionale Extrarunde­n auf entschleun­igtem Weg

Die Fahrt im stärksten Weltmeiste­r-Auto seines Vaters berührt und begeistert Mick Schumacher – Schritt für Schritt zur Formel-1-Reife

- Von Joachim Lindinger

HOCKENHEIM - Rob Smedley hat viele Rennwagen fahren und siegen gesehen. Ingenieur bei Jordan, Ferrari und Williams war der Brite; jetzt bringt er seine technische Expertise in die offizielle­n Formel-1-Plattforme­n ein. Ein Auto hat es Rob Smedley besonders angetan: „Der Ferrari F2004 war einfach makellos. Chassis, Aerodynami­k, Reifen, das war alles wie aus einem Guss.“Perfekt passte der Fahrer zu diesem Paket: Michael Schumacher lenkte den F2004 vor 15 Jahren zu 13 Triumphen (bei 18 Starts), zudem achtmal auf Pole Position. Zehn schnellste Rennrunden notiert die Statistik noch. Und – folgericht­ig – den Weltmeiste­rtitel. Michael Schumacher­s siebten.

Eine Helmhälfte in Neongelb-Grün, die andere im Rot des Vaters

Mick Schumacher hat noch keinen Weltmeiste­rtitel. Formel-3-Europameis­ter ist der 20-Jährige und aktuell Formel-2-Pilot; nach 14 Rennen führt das Klassement ihn als 14. Samstagund Sonntagnac­hmittag saß Mick Schumacher im F2004, umrundete den Hockenheim­ring: Großer Preis von Deutschlan­d, Rahmenprog­ramm.

Als „Promoter Activity: Mick Schumacher Demonstrat­ion (High Speed)“hatten die Macher die erst fünf, anderntags 15 Minuten angekündig­t. Klingt unspektaku­lär für etwas, was Reminiszen­z war an den Besten seiner Zunft, was ein Gesamtkuns­twerk auf vier Rädern feierte – und eine Zeit, da „Formel 1“noch laut hieß und schnell(er). Etwas, das Sohn und Vater verband, Vergangenh­eit und Zukunft, Emotionen und Hoffnungen.

Schumacher! Und dann Motorsport! Spätestens als Mick Schumacher dem Kart entwachsen war, dachten Nostalgike­r und Optimisten schon weiter. Viele Jahre weiter. Der fatale Skiunfall Michael Schumacher­s Ende 2013 und, als Folge, sein Rückzug aus jeglicher Öffentlich­keit mögen Sehnsüchte und Erwartungs­haltung noch verstärkt haben. Der Filius als Erbe, als der, der die Tradition des Erster-Seins in der PS-Königsklas­se weiter pflegt – ein verlockend tröstliche­r Gedanke. Ein potenziell erdrückend­er Gedanke allerdings auch für einen so jungen Mann.

Mick Schumacher aber hatte schlicht Freude an seinem Sport („Es ist eine Liebe einfach. Eine Liebe zu dieser Geschwindi­gkeit, zu diesem Gefühl“), hatte – und hat – gute Ratgeber. Zwei Jahre Formel 4 fuhr er zunächst, war im zweiten Zweiter in italienisc­her und deutscher Meistersch­aft. Im zweiten Jahr Formel 3 gab es den Titel nebst acht Siegen. Wendepunkt zum sehr Guten seinerzeit war Spa – Spa, wo Vater Michael sechsmal gewonnen hat. Mick Schumacher: „Da habe ich gesehen, dass sich all die harte Arbeit auszahlt und ich auf dem richtigen Weg bin.“Einem mit Bedacht gewählten Weg, angelegt auf stetiges Sich-Entwickeln, stetiges Dazulernen. Auch in der Formel 2, die einen Neuling ziemlich herausford­ert. Statt 240 PS hat er 620 zu beherrsche­n, die der Mecachrome­V6-Turbomotor liefert. Auch das Management der Pirelli-Reifen will, bei Mischungen wie in der Formel 1, gekonnt sein. Erfahrung muss sich auch ein Mick Schumacher erfahren, Konstanz stellt sich nicht über Nacht ein. Was möglich ist, zeigte Ende Juni Spielberg: Von Startplatz 18 kämpfte sich Mick Schumacher auf Rang vier, zum Podest fehlten 0,2 Sekunden.

Binotto will genau hinschauen

Was möglich sein könnte, irgendwann? Ferrari hat Mick Schumacher in seine Driver Academy aufgenomme­n; knapp vier Monate ist es her, dass er in Bahrain im SF90 testete, tags drauf fürs Ferrari-motorisier­te Alfa-Romeo-Team unterwegs war. Formel-1-Premiere, als Zweit- und Sechstbest­er letztlich der Zeitenlist­en. Geblieben sind: beim Fahrer ein „Wow!“, bei Ferrari ein „Wow!“und ein Verspreche­n. „Wir werden ihn ganz eng verfolgen“, sagte Teamchef Mattia Binotto.

Am Wochenende war das ein Leichtes – verbunden jedoch mit einiger Sentimenta­lität. Mattia Binotto ist im 25. Jahr bei Ferrari, hat Michael Schumacher­s Erfolge, hat den F2004 aus nächster Nähe erlebt. Mick Schumacher­s Helm war, dem Anlass gebührend, zur Hälfte in seinem Neongelb-Grün, zur Hälfte im Rot des Vaters gehalten. Den habe er „als Vorbild“, hatte er zuletzt mehrfach erklärt. Jetzt chauffiert­e er sein stärkstes Dienstgefä­hrt. „Als endlich der Motor anging, war das Emotion pur.“Für Mick Schumacher, den Sohn. Für den Racer: Den Zehnzylind­er, „diese Vibration und alles“zu spüren, „das ist natürlich was sehr Spezielles“. Spricht‘s und strahlt. Ein Strahlen tief aus dem Inneren: „Ich hab’ kein einziges Mal auf der Runde kein Lächeln im Gesicht gehabt.“

Das ist schön. Wichtig ist die nächste Formel-2-Etappe in Ungarn kommendes Wochenende. Mick Schumacher muss das keiner sagen. Sein Name, weiß er, hat Türen geöffnet. „Aber letztlich musst du immer noch beweisen, was du kannst.“Die Formel 1 lechzt nach diesem Beweis. Sie sollte Geduld lernen. Der Junge, der im F2004 15 Jahre überholte, ist es wert.

 ?? FOTOS: DPA ?? Vergangenh­eit und Zukunft: Mick Schumacher absolviert­e im Ferrari F2004 seines Vaters einige Runden in Hockenheim.
FOTOS: DPA Vergangenh­eit und Zukunft: Mick Schumacher absolviert­e im Ferrari F2004 seines Vaters einige Runden in Hockenheim.
 ??  ?? Der Sound der Vergangenh­eit: ein Schumacher im Ferrari.
Der Sound der Vergangenh­eit: ein Schumacher im Ferrari.

Newspapers in German

Newspapers from Germany