Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eine Säule bricht, eine neue muss her
VfB überzeugt spielerisch auf Anhieb – so soll Kaminskis Verletzung kompensiert werden
STUTTGART - Sich ein wenig über den vor allem spielersich über weite Strecken überzeugenden 2:1 (2:1)Sieg gegen Hannover 96 freuen und direkt auf das anstehende Spiel beim 1. FC Heidenheim (So., 13:30/Sky) konzentrieren? Das ist für die Protagonisten beim VfB Stuttgart nicht möglich. Zu gravierend sind die Nachwirkungen des Auftakterfolges in der 2. Liga zu spüren. „Jetzt müssen wir schauen, dass wir Ersatz kriegen. Ich denke, dass wir auf der Position was machen müssen“, sagte Trainer Tim Walter nachdenklich, nachdem sich binnen einer Woche der zweite Profi mit einem Kreuzbandriss für die nächsten Monate abgemeldet hatte. Nach Stürmer Sasa Kalajdzic erwischte es nun Marcin Kaminski. Noch bevor die offizielle Diagnose eintrudelte, hatte der Verteidiger eine böse Ahnung: „Ich habe das Gefühl, dass da etwas passiert ist. Es fühlt sich nicht so gut an.“
Der Ausfall von Innenverteidiger Kaminski, in der letzten Saison an Fortuna Düsseldorf verliehen, wo er restlos überzeugte, trifft die neu formierte VfB-Mannschaft hart. Der 27-Jährige spielte in Walters Überlegungen eine tragende Rolle, gemeinsam mit Kapitän Marc-Oliver Kempf sollte der Pole die Abwehr stabilisieren. Aber all die schönen Gedankenspiele sind nun obsolet. Ersatz muss her. Anders als im Angriff gehe dem VfB in der Abwehr „doch langsam das Personal“aus, sagte Sportdirektor Sven Mislintat.
Chance für Badstuber
Denn auch der für Kaminski eingewechselte Maxime Awoudja, dem mit seinem ersten Ballkontakt im Profifußball gleich ein, freilich sehenswertes, Eigentor unterlief, fehlt in Heidenheim. Nach umstrittenen Gelb-Roten Karte gegen den von der zweiten Mannschaft der Bayern gekommenen Awoudja schlägt wohl die Stunde von Holger Badstuber.
Dabei wird der Trainer auch versuchen, so viel Mentalität wie möglich aus der Partie gegen Hannover herüberzuretten. Nach Monaten voller Tiefschlägen war die Partie ein Lichtblick. In der umgekrempelten VfB-Elf waren es jedoch die bewährten Kräfte Mario Gomez (29./Direktabnahme) und Daniel Didavi (36./direkter Freistoß), die mit ihren Toren den Sieg sicherten. Zudem hätte ExVfB-Torhüter Ron-Robert Zieler im Tor von Hannover den Didavi-Treffer „an einem guten Tag“(96-Coach Mirko Slomka) wohl halten können. Dass Awoudja den Ball bei seinem Einstand ziemlich unglücklich ins eigene Tor kickte (39.), wollte ihm keiner zum Vorwurf machen. Schon gar nicht Tim Walter: „Er ist natürlich der tragische Held, aber wie er nach dem Tor aufgetreten ist, war schon der Wahnsinn.“In der Tat spielte Awoudja bis zu seinem Platzverweis stark.
Was noch zu sehen war: der riskante, laufintensive und spielstarke Walter-Fußball scheint schon jetzt auch gegen starke Konkurrenten erfolgbringend – auch wenn ein realistisches Bild wohl erst in einigen Wochen gezeichnet werden kann. „Wir hatten am Anfang ein paar Probleme, sind die ersten 25 Minuten nicht reingekommen“, resümierte Walter und kündigte an: „Wir werden dafür auch noch einen Tick brauchen, aber die Jungs wollen. Das ist für mich das Entscheidende.“
Auch Kapitän Kempf sieht die Mission Wiederaufstieg erfolgreich gestartet und auch die Favoritenrolle gelassen: „Es sind keine Steine, die uns auferlegt werden. Der Trainer lebt das auch ein Stück vor, dass wir Favorit sind. “Von dem neuen, risikoreichen Spielstil, bei dem die Verteidiger sehr hoch stehen, ist der Innenverteidiger mittlerweile überzeugt, auch wenn das am Anfang etwas anders war: „In den ersten Wochen war ich schon kritisch, wenn man dann aber sieht, dass es funktioniert, gewinnt man immer mehr Überzeugung.“
Doch ist der Weg noch lang und auch der Walter-Fußball hat seine Tücken: „Insgesamt müssen wir noch genauer, noch zielstrebiger werden. Spielen, um zu spielen, bringt uns nicht weiter. Wir brauchen noch mehr Mut, wir brauchen noch mehr Eier, wie man so schön sagt“, fordert Walter.